RTL+: »Legend of Wacken«

»Legend of Wacken« (Serie, 2023). © RTL / Thomas Leidig

© RTL / Thomas Leidig

Archäologie eines Festivals

Mit dem RTL-Sechsteiler »Legend of Wacken« über das schleswig-holsteinische Open Air (W.O.A.) hat das Team der Produktionsfirma Florida Film, zu deren Gesellschaftern unter anderem Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf und Lars Jessen zählen, etwas geschaffen, was man als »Magischen Realismus nach Holsteiner Art« einordnen könnte.

2022 ist das Festival in vollem Gange. Das Wahrzeichen, der Bullenschädel zwischen den Hauptbühnen, sollte Flammen speien, doch da lodert nichts. Festivalmitbegründer Holger Hübner kümmert sich, sonst macht's ja keiner, fasst an eine Stromleitung, stürzt ins Koma. Sein Partner Thomas Jensen nimmt den Vorfall leicht. Fünf Minuten gesteht er dem Patienten zu, dann soll er wieder antreten. Daraus wird nichts.

Hübners Freunde überlegen, wie der Unentbehrliche ins Leben zurückgeholt werden kann. Vielleicht mit »emotionalen Geschichten«? Rückblende: Ende der 80er. Jensen ist noch Punk, Hübner Metal-DJ. Jensen konvertiert, gründet eine Band. Hübner wird ihr Manager. Der Auftritt im Dorfkrug endet schmachvoll. Trotzig beschließt man, ein kleines Open Air zu organisieren. Die Geburtsstunde des W.O.A.

Im Folgejahr können die Schlitzohren die namhaften Headliner Saxon und Blind Guardian buchen – und schließen mit enormen Schulden ab. An dieser Stelle endet die Erzählung, im Grunde vorzeitig. »Die guten Storys kommen alle noch«, sagt der echte Thomas Jensen in der Schlusssequenz.

Die Realität dient als Spielmaterial. Die Autoren, darunter der Schriftsteller Frank Schulz, schicken erst Hübner, dann Jensen auf eine fabulierte Zeitreise, in deren Verlauf sie ihre jüngeren Ichs treffen und deren Fehler auszubügeln suchen. Amüsant, wenn die jungen Metal-Puristen die US-Band Foreigner als »Pussyrocker« verunglimpfen – 2016 machte Foreigner in Wacken auf großer Bühne eine gute Figur. Die Metal-Ikone Lemmy Kilmister tritt auf und lockt den delirierenden Hübner ins Jenseits, frei nach AC/DC: »Hell ain't a bad place to be«.

Thomas Jensen und Holger Hübner, an der Produktion beteiligt, werden nicht zu Helden verklärt. In das Festivalgeschäft stürzen sie sich voller Leichtsinn. Der Film-Hübner stammelt, spricht ein lausiges Englisch, verrechnet sich gewaltig. Jensen treibt die Sache mit Verve, aber ohne Verantwortungsgefühl voran. Oft garstig gegenüber dem Freund, den er nach einem Konzert feixend in Hamburg zurücklässt. Im Zuge seiner Zeitsprünge wird Hübner klar, dass er ausgenutzt wurde, will aussteigen, doch zum (vor-)eiligen Schluss sind die beiden wieder die besten Freunde…

Originalgetreu verkörpert Detlev Buck den verstorbenen Landwirt Uwe Trede, seit dem Dokumentarfilm »Full Metal Village« und der unter Pseudonym erstellten TV-Version »Blasmusik und Heavy Metal« eine – im Film oft wörtlich zitierte – Kultfigur.

Im Gros dominiert das Schrille, Kauzige, der trockene Humor. Substanzielle Inhalte klingen an, darunter ein in der toleranten Metal-Gemeinde angstfrei erlebtes lesbisches Coming-out, bleiben jedoch Episode. 

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