Buch-Tipp: Adrian Gmelch – Art-Horror

Nachhaltig unheimlich

Nach gerade mal zwei abendfüllenden Spielfilmen schon mit einer Buchveröffentlichung gewürdigt zu werden, dürfte ungewöhnlich sein – eine Ehre, die mit diesem Buch gleich zwei Filmemachern zuteilwird. Das Doppelporträt macht Sinn, denn die Parallelen in den Arbeiten von Ari Aster (2018 Debüt mit »Hereditary«; 2019 »Midsommar«) und Robert Eggers (»The Witch« 2015; »Der Leuchtturm« 2018) sind frappierend.

Mit diesen ersten Filmen rechnet Adrian Gmelch (der zuvor ein Buch über M. Night Shyamalan veröffentlicht hat) beide dem Genre des Art-Horrors zu – ein Begriff, der ihm zufolge 2014 von dem Kritiker Bilge Ebiri eingeführt wurde. Gemeint ist damit weniger eine Abwertung traditioneller Horrorfilme, die ihre Wirkung mit traditionellen jump scares erzielen und mit jenen Schreckmomenten, in denen Monster auf den Plan treten, als vielmehr die Würdigung von Arbeiten, die »existenzielle Ängste« evozieren, denen es gelingt, »eine bedrückende und beklemmende Atmosphäre zu schaffen, die auch noch lange nach dem Abspann anhält«. Dazu zählt Gmelch auch Filme wie Jonathan Glazers »Under the Skin«, Jennifer Kents »The Babadook« oder Alex Garlands »Men«. 

Die Filme, um die es im Buch geht, funktionieren als Familiendramen, entsprechend zählen zu den Inspirationen der Filmemacher auch Werke, die nicht dem klassischen Horrorfilm zuzurechnen sind, von Albert Brooks oder Ingmar Bergman (besonders »Schreie und Flüstern«). Inspirieren lassen sich Eggers und Aster nicht nur von Filmschöpfungen, sondern auch von der bildenden Kunst und der Literatur. Namen wie Goya, Hilma af Klint und Hans Baldung oder der Fotograf Joel-Peter Witkin mit seinen »Leichenfotografien« fallen hier ebenso wie Poe, Herman Melville und Coleridge. 

Eggers (*1983) und Aster (*1986) stammen aus Künstlerfamilien und begannen mit Kurzfilmen (über die Gmelch ausführlich informiert). Während Aster am American Film Institute studierte, sich ein enzyklopädisches Filmwissen aneignete und auch Texte über Filme verfasste, war Eggers im Bereich des experimentel­len Theaters in New York tätig und bereitete seine Filme durch akribische historische Recherchen vor. Ihre Debütfilme hatten Premiere in Sundance und wurden von der jungen Firma »A24« herausgebracht. Dadurch freundeten sie sich an, 2019 traten sie in einem Podcast von »A24« gemeinsam vors Mikro. 

All dies stellt das Buch dar unter Zuhilfenahme zahlreicher amerikanischer Quellen, in denen vor allem die beiden Filmemacher, aber auch wichtige Mitarbeiter zu Wort kommen. Bei der Analyse der Filme bleibt Gmelch nah an den Figuren und der Mise en Scène, Inspirationen werden durch korrespondierende Screenshots verdeutlicht.

Schade, dass die beiden Nachfolgefilme (Eggers' »The Northman« hatte im Frühjahr 2022 Premiere, Asters »Beau Is Afraid« läuft gerade in den Kinos) keine Berücksichtigung mehr finden konnten. Wenn Gmelch im Zusammenhang mit »Hereditary« über »die Traumsequenzen der Charaktere« notiert, dass sich Aster bei ihnen »schon fast als Sigmund Freud versucht«, trifft das mehr noch auf seinen dritten Film zu. Insofern ist man als Leser aufgefordert, die hier zusammengetragenen Beobachtungen und Analysen auf die neuen Filme der Mavericks anzuwenden – als eigene Fortschreibung einer anregenden Lektüre.



Adrian Gmelch: Art-Horror. Die Filme von Ari Aster und Robert Eggers. Büchner-Verlag, Marburg 2022. 258 S., 27 €.

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