Mubi: »This Much I Know to Be True«

© MUBI

2022
Original-Titel: 
This Much I Know to Be True
Heimkinostart: 
08.07.2022
V: 
L: 
105 Min
FSK: 
Ohne Angabe
Wie Magie entsteht

Man wähnt sich schon in einem Mockumentary, wenn Nick Cave mit ernstem Gesicht zu Beginn des Films sagt, er habe sich zu einem Keramiker umschulen lassen, weil es nicht mehr möglich sei, als Live-Musiker sein Geld zu verdienen. Dann präsentiert er eine Reihe kleiner Porzellanskulpturen im unglasierten Zustand, die das Leben des Teufels darstellen. Er erwacht als kleines Kind an einen Esel gelehnt, wächst heran, findet eine erste Frau, zieht in den Krieg, heiratet, tötet sein erstes Kind, blickt auf die Welt, bereut und stirbt. Dann wird ihm schließlich vergeben.

In dieser Teufelsanalogie steckt viel von Nick Caves eigener Kunst als Schriftsteller und Musiker. Immer wieder wird das Metaphysische ganz irdisch, greifbar fast und stellt sich in eine Reihe mit den menschlichen Erfahrungen. So wird in »This Much I Know to Be True« auf besondere Weise deutlich, wie Nick Caves Musik entsteht und was ihr zugrunde liegt. Und wenn man weiß, dass nur wenige Monate nach Ende der Dreharbeiten Nick Caves ältester Sohn Jethro Lazenby mit nur 31 Jahren starb – erst 2015 war Caves Sohn Arthur im Alter von 15 Jahren verunglückt –, dann ist diese dunkle, in jeder Hinsicht mystische Performance ein vorweggenommenes Requiem.

Dunkel ist der Raum, in dem Nick und seine Freunde – die, wie er singt, sich hier versammelt haben, um nach ihm zu sehen – in ein Meer von Klängen eintauchen. Auch Marianne Faithfull ist dabei, von Krankheit gezeichnet, aber mit gleichbleibend erotisch-rauchiger Stimme. Nick Caves eigene markante Stimme allerdings macht aus dem kaskadenartigen musikalischen Aufbäumen doch immer wieder einen Song und das, obwohl er betont, dass das eigentlich gar nicht geht. Es sei unsinnig, Texte aufzuschreiben, wenn man mit Warren Ellis zusammenarbeitet, denn es werde immer alles gänzlich anders, als geplant. Diese Offenheit in der freien Komposition ist fast nicht mehr nachvollziehbar, wenn man das Ergebnis hört. Kein Ton erscheint hier fehl am Platz, kein Wort zu viel oder zu wenig. Der Gesang verliert hin und wieder etwas von seiner sakralen Stimmung, bleibt aber in melancholischer Ernsthaftigkeit einzigartig. Dabei hat Nick Cave, das sehen wir hier, durchaus Humor, wenn er seinen Sohn zitiert, der sagt, jetzt hör mal auf zu jammern und mach deine Arbeit.

Nick Cave liest aus »The Red Hand Files« vor, einer Website, auf der er auf Briefe von Fans antwortet, und zeigt, wie bescheiden er geworden ist. Der Künstler, Musiker und Schriftsteller ist weit hinter den Menschen Nick Cave zurückgetreten, der von sich sagt, er wäre jetzt viel glücklicher als früher. Dabei ist ihm Glück gar nicht das Wichtigste, sondern die Frage, ob die Welt ein bedeutsamer Ort ist und was der Mensch dazu beitragen kann.

Der australische Regisseur Andrew Dominik hat nach »One More Time with Feeling« von 2016 erneut einen Film über Nick Cave gedreht und vielleicht gerade dadurch den Mut gefunden, vieles einfach wegzulassen. In der Konzentration auf die Performance der Musik entsteht seine ganze Magie.

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