09/2019

In diesem Heft

Tipp

Hamburg, 26.9–5.10. – Vom anspruchsvollen Arthouse-Film bis zum innovativen Mainstream – rund 40 000 Besucher werden beim Hamburger Filmfest erwartet, ein »Festival für das Publikum« . Um die 140 Spiel- und Dokumentarfilme werden an zehn Tagen auf elf Leinwänden präsentiert.
Köln 19.–29.9. – Zum 17. Mal findet im September das Afrika Filmfestival in Köln statt. 75 Filme aller Genres, auch Kurz- und Dokumentarfilme, werden zu sehen sein. 2018 wurde das Festival als Kölner Kulturereignis ausgezeichnet.
Bremen, 19.–22.9. – Auch 2019 legt das Filmfest Bremen einen Schwerpunkt auf regionale Produktionen. Bei Panels, Talks und moderierten Screenings mit anschließender Fragerunde bekommen Filmschaffende die Möglichkeit, direkt mit dem Publikum in den Dialog zu treten. Bislang deutschlandweit einmalig ist zudem der internationale Wettbewerb für Lang- und Kurzfilme im Genre »Humor und Satire«.
Münster, 18.–22.9. – Der Europäische Spielfilmwettbewerb, in dem acht Filme laufen, besteht in diesem Jahr erstmals ausschließlich aus Debüts, die dem europäischen Kino neue Impulse verleihen und durch ihre außergewöhnliche Erzählweise oder Bildsprache bestechen. Im traditionellen Kurzfilmwettbewerb laufen rund 40 Filme.
Frankfurt, Offenbach, Wiesbaden 19.–26.09. – Schon zum 42. Mal widmet sich Lucas ganz den jungen Filmfans, beginnend ab vier Jahren. 21 aktuelle Langfilme und 19 Kurzfilme werden dabei, teils mit deutscher Live-Einsprache, teils mit Untertiteln, in der Originalversion zu sehen sein. Die großen und kleinen Besucher können sich darüber hinaus über Filmgespräche freuen und sogar selbst das Mikro in die Hand nehmen, um eine Vorstellung zu präsentieren.
Leipzig, 16.–20.9. – Die Leipziger Filmkunstmesse ist ein Forum für Kinobetreiber und Verleiher aus dem Arthouse-Bereich. Hier haben die Filme ihre deutsche Premiere, die in den nächsten Monaten in den Programmkinos laufen werden. Seminare und Workshops runden das Angebot ab.
Oldenburg, 11.–15.9. – Oftmals als das deutsche »Sundance« betitelt, widmet sich das Oldenburger Filmfestival ganz dem Independent-Film. Die Organisatoren möchten visionären Filmemachern eine Plattform bieten und das Festival als inspirierenden Treffpunkt für Publikum, Journalisten und Filmschaffende gestalten. Ehrengäste der letzten Jahre waren unter anderem Nicolas Cage, Amanda Plummer und Moritz Bleibtreu.
Berlin, 6.–14.9. – 48 Stunden, drei Vorgaben, ein Kurzfilm: Auch in diesem Jahr kommt das »48 Hour Film Project« wieder nach Berlin, um kreative Filmschaffende vor eine besondere Herausforderung zu stellen. Vom 6. bis 8. September haben diese 48 Stunden Zeit, um einen Kurzfilm zu drehen. Vorgegeben sind lediglich ein Charakter, ein Requisit und eine Dialogzeile. Die Ergebnisse werden am 14. September der Öffentlichkeit präsentiert, bevor am Abend die Gewinner der verschiedenen Kategorien ausgezeichnet werden. Der »Beste Film« wird außerdem auf dem »Filmapalooza«-Festival und in Cannes gezeigt werden.
Frankfurt, München uvm. 5.–15.9. – Auch in diesem Jahr tourt das Fantasy Filmfest wieder quer durch Deutschland. Insgesamt 50 Filme werden an den jeweils zehn Festivaltagen unter anderem in Berlin, Köln, Stuttgart und Nürnberg gezeigt. Das Programm bietet einen gewohnten Mix aus Genrefilmen, vom Horrorschocker bis zum emotionalen Arthouse-Drama. Als Eröffnungsfilm wird »The Lodge« gezeigt, den Abschlussfilm bildet der von Guillermo del Toro produzierte »Scary Stories To Tell In The Dark«.
Kreis Starnberg, 4. – 12. 9. – Im Fünfseenland, südlich von München gelegen, geht das Festival in diesem Jahr in seine nunmehr 13. Auflage. Im Fokus stehen Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus Mitteleuropa, vor allem aus Deutschland, Südtirol, der Schweiz und Österreich. Über 140 Filme werden auf den 14 Leinwänden gezeigt, teils in Anwesenheit der Filmemacher. Zu den Ehrengästen gehören unter anderem Caroline Link, Barbara Auer, Tom Tykwer und Uli Hanisch.
Mit »Baptiste« bekommt der großartige Tchéky Karyo endlich seine eigene Serie, als Spin-off der pan-europäischen Krimi-Reihe »Missing«
Im viktorianischen Gewand erzählt die prominent ­besetzte Amazon-Fantasyserie »Carnival Row« von Vertreibung und Rassismus
am So., den 15.9. in Frankfurt am Main – epd Film-Redakteur Rudolf Worschech spricht mit Regisseur Anatol Schuster über »Frau Stern«
Das viele Facetten elegant verdichtende Drama erzählt vom Kampf von Missbrauchsopfern eines Priester um Gerechtigkeit: weniger ein Film gegen Kirche und Katholizismus als über das zivile Aufbegehren gegen institutionalisierte Verantwortungslosigkeit

Thema

Kirchenkritische Filme gibt es schon lange. Missbrauch aber stand selten im Fokus. Gerhard Midding stellt neuere Filme vor, die sich dem Thema mit Umsicht nähern. Wie François Ozons »Gelobt sei Gott«, der in diesem Monat bei uns anläuft und einen Skandal aufrollt, der das katholische Frankreich in Atem hält
Hat der deutsche Film Probleme? Fällt gerade nicht so auf. In diesem Herbst drängt eine Reihe kraftvoller Debüts ins Kino, die belegt: Am Nachwuchs fehlt es nicht. Ein Stimmungsbild
Unsere "steile These" des Monats September
Mit englischen Kostümdramen wurde sie berühmt. Aber Emma Thompson, jetzt in »Late Night«, hat auch eine erfrischend derbe Seite
2015, nach sechs Staffeln, ging die beliebte ­englische Historienserie »Downton Abbey« zu Ende. Im September kommt der lang erwartete Film ins Kino. Mit der charismatischen Michelle Dockery als Lady Mary

Meldung

Lili Hinstin hat nach dem Weggang von Carlo Chatrian nach Berlin die künstlerische Leitung des altehrwürdigen Festivals von Locarno in der Schweiz übernommen. Die Ausrichtung des Festivals zwischen Autorenfilm und Publikumsfestival hat sie beibehalten

Filmkritik

Sabrina Sarabi verfilmt das Lebensgefühl ihrer Generation. Die Geschichte von Liebe, Freundschaft und Konkurrenzdruck unter drei Studenten einer Musikschule entsteht aus den Dissonanzen zwischen nüchternen Bildern und aufgewühlter Tonspur
Ein rechtskonservativer Radiomoderator sieht sich mit seiner sechzehnjährigen Nichte konfrontiert, die ihm Kontra gibt. Gut gespielte Komödie, die einem bewährten Muster folgt, wobei die notwendige Auseinandersetzung mit geistigen Brandstiftern am Ende leider auf der Strecke bleibt
Liebevoll aufgespießtes Zeitkolorit, eine strahlend unkonventionelle Hauptdarstellerin und atemlos in Stellung gebrachte Gags machen in dieser in den 80ern angesiedelten Coming-of-Age-Komödie schmunzeln
Verlottert ist Lotta ganz sicher nicht, sie gerät aber stets in Situationen, die verwirrend enden. Mit ihrer Freundin Cheyenne geht sie durch dick und dünn – meistens jedenfalls
Eine paradiesische Insel, auf der die Töchter superreicher Familien innerlich und äußerlich zur perfekten Braut gestylt werden – Traum und Alptraum in einem Debütfilm, dessen verführerische Oberflächen dunkle Abgründe bergen
Emmy Davie (»I am Breathing«) und Peter Mettler (»The End of Time«) gelingt eine kluge, anregende Reflexion über den Menschen zwischen Körperlichkeit und Technik
Peter Evers erzählt in seinem Spielfilmdebüt die Geschichte einer Geschwisterliebe im Gewand eines Neo-Heimatfilms. Ihm gelingt ein subtiles Porträt der BRD-Gesellschaft, das die Kontinuitäten der Gewalt und der Ausgrenzung nach '45 aufzeigt
Ava ist 25, und der Filmtitel meint, leicht ironisch, ihr Leben und vielleicht sogar eine Generation. Konsequent und dabei zutiefst beunruhigend kreist Sophie Kluges episodenhafter Spielfilm »Golden Twenties« um die vorläufige Unbestimmtheit einer jungen Frau
Ein Film für eine kleine Zielgruppe, mit sehr speziellem Inhalt, begrenzt auf einen Schauplatz – der sich aber ganz in den Dienst seiner Sache stellt und so die ganze Welt spiegelt
Drei Jahre nach dem Terroranschlag auf das Pariser Bataclan spiegelt Mikhael Hers in seinem sommerlichen Melodram die Verletzbarkeit der Städte und ihrer Bewohner – mit wunderbaren Darstellern und hingebungsvoller Detailgenauigkeit
Die 90-jährige Holocaustüberlebende Frau Stern will sterben und frönt doch zugleich dem jugendlichen Hedonismus. Dank der fantastischen Hauptdarstellerin und dem lakonischen Blues wird Anatol Schusters Film zu etwas Besonderem
Yuval Adler schickt in seinem Spionagethriller Diane Kruger als Mossad-Agentin nach Teheran, wo sie sich verliebt. Mehr Charakterstudie als Genrekino, spannungsarm und unglaubwürdig
Ein weiblicher Comedy-Star in der Krise erfährt durch eine neue Mitarbeiterin frischen Schwung: die selbstreferenzielle Komödie über die Fernsehcomedy-Szene besticht durch ihr Starduo, während aktuelle »Diversity«-Fragen nur oberflächlich zur Geltung gebracht werden
Der plötzliche Tod ihrer Schwester bewirkt bei Marcela eine tiefgreifende Irritation. Undramatisch erzählend, auf atmosphärische Bilder setzend, gelingt Maria Alché in ihrem Regiedebüt die faszinierend stilsichere Erkundung eines Schwebezustands
Poetische Parabel auf das Leben koexistierender Gemeinschaften von Christen und Muslimen in Albanien mit einem sanften Ziegenhirten im Zentrum: »Ein Licht zwischen den Wolken«
Thomas Heises filigrane Montage von Biografie und Bildpoesie entwickelt als Puzzle-Reise durch das Leben dreier Generationen und ihrer Zeit einen eigenen Sog
1952 kommen drei Kommunistinnen nach Jahren im sowjetischen Arbeitslager in die DDR. Statt eindimensionaler Helden zeichnet der Film ambivalente Figuren in einer schwierigen gesellschaftlichen Situation
In seiner bereits vor 20 Jahren gedrehten, lang zurückgehaltenen Dokumentation »Celebration« über Yves Saint Laurent zeigt Olivier Meyrou das kapriziöse Genie als geradezu unscheinbaren Mann mit nervösen Ticks
Das viele Facetten elegant verdichtende Drama »Gelobt sei Gott« erzählt vom Kampf von Missbrauchsopfern eines Priester um Gerechtigkeit: weniger ein Film gegen Kirche und Katholizismus als über das zivile Aufbegehren gegen institutionalisierte Verantwortungslosigkeit
Nora Fingscheidts Film »Systemsprenger« über eine gewalttätige Neunjährige und ihre Odyssee durch das Jugendhilfesystem ist fast so energiegeladen wie seine Hauptfigur, die von Helene Zengel grandios verkörpert wird
Sommer an der Côte d'Azur. Zwei junge Mädchen aus bescheidenen Verhältnissen lernen zwei ältere reiche Herren kennen. »Ein leichtes Mädchen« ist ein Coming-of-Age-Film, der Leichtigkeit antäuscht und im Profunden landet
Mit einer Fülle teilweise unbekannter ­Archivmaterialien zeichnet der Dokumentarfilmer Asif Kapadia (»Amy«, »Senna«) Aufstieg und Fall des Ausnahmefußballers Diego Maradona nach. Kult
Richard Levines Tragikomödie »Submission« über die erotischen und intellektuellen Anfechtungen eines Literaturdozenten mutet im Licht der #MeToo-Debatte fast fahrlässig nostalgisch an. Die Darsteller (Stanley Tucci, Kyra Sedgwick und die Entdeckung Addison Timlin) schlagen sich wacker, und die Schlusspointe ist hübsch
Vier Geschwister wollen ihre geistig behinderte Schwester ins Heim geben. »Idioten der Familie« ist hervorragend gespielt, mit scharfem Blick für die Egozentrik und Lebenslügen seiner Figuren
Ralph Fiennes Biopic über Rudolph Nurejews frühe Jahre und seinen legendären »Sprung in den Westen« 1961 besticht durch sein Verständnis für ein egozentrisches, ­arrogantes Ausnahmetalent
Zwei Frauen in einem Fischerdorf versuchen, sich aus dem männerdominierten Sumpf von Drogen, Sex und Gewalt zu kämpfen. Griechische Tragödie als alptraumhafter Kunstthriller: »Das Wunder im Meer von Sargasso«
Essayistisches Dokumentarexperiment über Politik, Religion und Historie der USA. Das Debüt des deutschen Regisseurs Benjamin Schindler lebt vom assoziativen Zusammenspiel unterschiedlichster stilistischer Elemente
Das deutsche Kino tut sich oft schwer, wenn es unverkrampft junge Leute, Sex und Berlin zu inszenieren gilt. Doch Thomas Moritz Helms Debütfilm »Heute oder morgen«, die Geschichte einer modernen Sommerromanze, ist bemerkenswert glaubhaft, offenherzig und sexy
Mit ihrem kammerspielartigen Roadmovie »Wajib« entwirft Annemarie Jacir ein ebenso komisches wie präzises Sittenbild christlich-palästinensischer Großfamilien in Nazareth
Um »positive Situationen und Begegnungen« geht es Stefan Sick in seiner Dokumentation »Das innere Leuchten«, die kommentarlos Momentaufnahmen aus dem Alltag von dementen Menschen in einem Pflegeheim aneinanderreiht
Wie schon in »Hereditary« vermischt Ari Aster in »Midsommar« erneut Horror und Melodrama, wobei die formale Brillanz seiner Inszenierung seine auffallend affirmative Haltung gegenüber heidnischen Opferbräuchen unterstreicht
Ein dokumentarischer Essayfilm über indigene Gemeinschaften in Nordkolumbien, der klug und eindringlich Kolonialgeschichte, Naturschönheit, ökologische Wachsamkeit und soziales Handeln zusammenbringt: »Thinking like a Mountain«
Ein junger Israeli kommt nach Paris, um die Heimat hinter sich zu lassen. Nadav Lapids Berlinale-Gewinner ist die Geschichte einer Migration, einer Herkunftsverleumdung und ein herausragender Parisfilm
So intensiv und zärtlich, wie Luzie Loose hier die fragile Freundschaftsgeschichte zweier Mädchen erzählt, ist dieser Coming-of-Age-Film über seine pädagogisch verwertbaren Themen hinaus vor allem ein mitreißendes Kinoerlebnis: »Schwimmen«
Während eines Hurrikans führen ein Vater und seine Tochter einen Überlebenskampf gegen scheinbar übermächtige Alligatoren. »Crawl« ist spannende, auf ironische Brechungen verzichtende Horrorkost von Alexandre Aja, der die richtige Mischung aus Überraschungen und vertrauten Mustern findet
Eine Pflegerin in einer katholischen Seniorenresidenz wird Opfer eines sexuellen Übergriffs und lehnt sich auf gegen das System des Stillschweigens. Marco Tullio Giordana inszeniert den David-gegen-Goliath-Kampf mit besonnener, einfühlsamer Dramatik: »Nome di donna«

Film