Kritik zu Crawl

© Paramount Pictures

Die Horror-Alligatoren sind wieder da! In der souveränen Inszenierung von Alexandre Aja wird daraus ein überraschend ernsthaftes und stimmiges Genrekammerspiel

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Die Behörden haben einen Hurrikan der Stufe 5 ausgerufen und weite Teile Floridas evakuiert. Trotzdem setzt sich unsere Heldin in ihr Auto und fährt mitten hinein ins Krisengebiet. Unterwegs zeigt uns die Kamera einen unterm Rückspiegel baumelnden Plastikhai, aus dessen Maul zwei menschliche Beine ragen. Dann schwenkt sie auf das riesige Plakat eines Alligatorenparks. Seht her, sagt der Film da, der trashige Haihorror der letzten Jahre war bloß ein Witz verglichen mit den Bedrohungen, die jetzt auf euch warten.

Der hübsche Inside-Joke ist das erste und zugleich letzte Augenzwinkern in »Crawl«. Bewusst verzichten Produzent Sam Raimi und Regisseur Alexandre Aja auf ironische Brechungen und parodistische Übertreibungen. Stattdessen setzen sie auf eine wohltuende Ernsthaftigkeit, produzieren effektvolle Schockmomente wie am Fließband. Als Inspirationsquelle dürften dabei Filme wie »Piranhas« oder »Der Horror-Alligator« aus den späten Siebzigern und frühen Achtzigern gedient haben – ökonomische, gut gemachte Genrekost, ein wenig »over the top«, aber trotzdem auf Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit bedacht. Das überrascht insofern, als Aja neben den passablen »The Hills Have Eyes« und »Mirrors« auch den unsäglichen »Piranha 3D« gedreht hat.

»Crawl« beginnt mit einer grandios inszenierten Titelsequenz. Die junge Haley (Kaya Scodelario) nimmt an einem Schwimmwettkampf teil und muss sich der Siegerin um nur zwei Hundertstel geschlagen geben. Aja macht daraus eine elegante Bewegungsstudie mit perfektem Timing; der Franzose hat einen flüssig-dynamischen Stil entwickelt, der mit raffinierten Schnitten und brillantem Rhythmus manchmal geradezu sprachlos macht. Zugleich charakterisiert er seine Protagonistin hier bereits als Kämpferin zwischen Ehrgeiz und Tragik, als taffe und selbstbewusste Frau. Diese Qualitäten wird sie – zusammen mit der titelgebenden Schwimmdisziplin – brauchen, um das vor ihr liegende Abenteuer zu bestehen.

Haley fährt aus Sorge um ihren Vater ins Zentrum des Sturms. Dave (Barry Pepper) liegt schwer verletzt im modrigen Keller seines Hauses, und entgegen den Gepflogenheiten des Genres dauert es nicht lange, bis uns der Film den bzw. die Übeltäter präsentiert: zwei gefräßige Alligatoren, die angesichts von Überflutung und allgemeinem Chaos leichtes Spiel hatten, ins Haus einzudringen. Sie attackieren alles, was sich bewegt, also bald auch Haley, und so entspinnt sich ein zäher Überlebenskampf, der vom stetig steigenden Wasserspiegel zusätzlich verschärft wird.

Aja findet die genau richtige Mischung zwischen Überraschungsmomenten und vertrauten Mustern, konzentriert zelebriert er das Duell Mensch gegen Panzerechse, das im Wesentlichen als Zweipersonenstück auf engstem Raum abläuft. Der eine oder andere psychologisierende Tochter-Vater-Dialog erweist sich dabei als überflüssiger (und an dieser Stelle unwahrscheinlicher) Ballast, ansonsten aber ist »Crawl« genau das, was es sein will: großartige Genreunterhaltung.

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