Kritik zu Golden Twenties

© 20th Century Fox

Sophie Kluge will nah ran an die Realität der heute 20-Jährigen und stellt eine zurückhaltende Heldin ins Zentrum ihres Films, die noch auf der Suche ist nach sich selbst und ihrer Stellung im Leben

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Ein netter Nachbar trägt Ava (Henriette Confurius) den schweren Koffer die Treppe hinauf, als die junge Frau von einem Auslandsaufenthalt in die Wohnung ihrer Mutter zurückkehrt. Zunächst erkennt man den prominenten Gastdarsteller in Sophie Kluges Spielfilm »Golden Twenties« nicht, doch es ist tatsächlich Blixa Bargeld, der hier so tatkräftig anpackt. Ava ist 25, und der Filmtitel meint, leicht ironisch, ihr Leben und vielleicht sogar eine Generation. Junge Leute wie Ava, die an einer Wegscheide angelangt sind: Das Studium ist abgeschlossen, doch wie es nun weitergehen soll, ist ungewiss. Auch Ava muss ihren Platz im Leben erst finden. Wenn sie gefragt wird, was sie vorhat, antwortet sie: »Ich weiß noch nicht so richtig.«

Das Phänomenale und zutiefst Beunruhigende an Kluges episodenhaftem Spielfilm ist, dass man dessen Hauptfigur auch am Ende noch nicht kennt. Die Inszenierung kreist konsequent um die vorläufige Unbestimmtheit der jungen Frau. Ava scheint überall hineinzupassen, gerade weil ihr ein scharfes Interessenprofil fehlt.

Eine Hospitanz am Theater soll es zunächst sein. Den Platz erhält Ava durch Beziehungen der Mutter, die im Übrigen ebenso vage gezeichnet ist wie die Tochter. Alles wirkt undefiniert: die Beziehung der jungen Frau zu Männern, zur Arbeit, sogar zur Mutter. Mit Gewissheit lässt sich nur sagen, dass Ava da ist, dass sie existiert. Und wenn sie dann tatsächlich Sex hat mit einem der jungen Schauspieler vom Theater, scheint es so, als wolle sie nur etwas vollziehen, weil das nun eben gerade dran sei.

Sophie Kluge inszenierte diesen Film, weil sie sich im Kino nicht repräsentiert fühlte. Den Trend, von starken jungen Frauen zu erzählen, findet sie zwar grundsätzlich toll, aber zurückhaltende Heldinnen kamen ihr immer zu kurz. Deshalb wollte sie eine stille Kämpferin in den Mittelpunkt stellen. Kluge hat ein feines Gespür für subkutane Vorgänge, latent Depressives – und die Phrasen, mit denen beschönigt wird, dass alles eigentlich ganz schrecklich ist: die Ungewissheit, die nicht sichtbare Perspektive, die generell waltende Unverbindlichkeit.

Sämtliche Beziehungen in »Golden Twenties« sind deutlich unentspannt. Was in diesem Film einmal über die Theaterarbeit gesagt wird, dass sie erfolge wie auf einem schwankenden Schiff, gilt auch für Avas Existenz. Sie lässt mit sich machen.

Am interessantesten sind wohl die Interaktionen zwischen dem Theaterregisseur (Nicolas Wackerbarth), Schauspielern, Regieassistentin und der Hospitantin Ava bei den Proben und Stückbesprechungen und dabei die Art, wie Ava hier mit freundlicher Unaufrichtigkeit klein gehalten wird; wie Konflikte lächelnd weggebügelt werden, bevor sie formuliert werden können; wie Reviere markiert und gnadenlos verteidigt werden. Wenn die Mutter dann abends die Kette an der Wohnungstür einhängt und Ava damit daran hindert, hineinzukommen, gewinnt dies durchaus symbolischen Gehalt. Man wünscht sich dringend, Ava möge zur Axt greifen und alle Türen einschlagen.

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