04/2016

»Wir schaffen zusammen!« – Das dänische Filmwunder hat etwas mit dem Kollektivideal zu tun . . . +++ 

»Ein Dissident der Form« – Endlich wieder im Kino: der Dokumentarfilmer Lutz Dammbeck +++ 

»Bilder der Passion« – Christusdarstellungen vom Neorealismus bis heute +++ 

»007? Es gibt Alternativen« – Die BBC-Shows »The Night Manager« und »London Spy« +++ 

»Das Arche-Noah-Prinzip« – Es wird digitalisiert. Und was wird aus den Zelluloidfilmen? +++ 

Filme des Monats: Fritz Lang | Unter dem Sand | Ixcanul | Chevalier | Der Schamane und die Schlange +++

In diesem Heft

Tipp

Filmische Endzeitvision: In der TV-Serie »The 100«, Staffel 1 und 2, kehren die Menschen wieder auf die Erde zurück
Der dänische Oscarkandidat für den besten Auslandsfilm handelt von der fatalen Entscheidung, die ein Offizier in Afghanistan trifft. Tobias Lindholm erzählt dies als Charakterdrama voll moralischer Ambivalenzen
Tom Hiddleston ist noch ziemlich nahe dran an Bond. Aber Ben Whishaw mischt das Agentenbusiness so richtig auf. Die britischen Miniserien »The Night Manager« und »London Spy«
24. April, Hamburg – Dreizehn Kinos zeigen Sebastian Schippers Hamburger Kultfilm »Absolute Giganten« einen ganzen Tag lang mit Rahmenprogramm: Kickerturnier, Mini-Elvis-Show, Fotoausstellungen zum Hafen, Filmquiz, Filmbingo und einer kleinen Retro zum früh verstorbenen Hauptdarsteller Frank Giering

Thema

Genial kombiniert: Was verbindet die Aufklärung mit einer Gameshow aus den Sechzigern? So etwas erfahren Sie nur bei Lutz Dammbeck. Ein Werkporträt
Fast alle Kinos haben auf digitale Projektion umgestellt. Brauchen wir das – viel länger haltbare – Zelluloid noch? Über die Bewahrung des Filmerbes in Zeiten seiner Digitalisierung
Regisseure und Schauspieler aus Dänemark bereichern seit Jahren das ­internationale Kino. Mit Filmen, die auf ganz eigene Art die Balance zwischen Erfindungsreichtum und Wahrhaftigkeit halten – ein Exzentriker wie Lars von Trier ist da eher die Ausnahme. Zum Start von Thomas Vinterbergs »Kommune« spürt Anke Sterneborg dem Dänen-Touch nach. Warum sind die so gut?
Bouli Lanners kommt als eine Art belgischer John Goodman daher, hat als Regisseur und Schauspieler aber fast ein eigenes Genre geschaffen: die Lannershaftigkeit
Unsere "Steile These" des Monats April
Die Auferstehung als Krimi, der Messias als Kind mit Superkräften – das hat noch gefehlt. Georg Seeßlen über die Frage, wie man sich Jesus im Kino nähern kann

Meldung

Mit Frank Arnold sprach Thomas Vinterberg über seinen Film »Die Kommune«
Mit Frank Arnold sprach Dexter Fletcher über seinen Film »Eddie the Eagle«
Nicolette Krebitz, 43, ist Schauspielerin, Musikerin und Regisseurin (»Das Herz ist ein dunkler Wald«). Im April startet ihr dritter Spielfilm »Wild«
In Gedenken an den Production Designer Sir Kenneth Adam (* 5. Februar 1921 in Berlin; † 10. März 2016 in London)

Filmkritik

Schauwerte kann dieses altägyptisch in­spirierte Fantasy-Epos durchaus aufweisen – doch »Dark City«-Kultregisseur Alex Proyas verirrt sich in »Gods of Egypt« zwischen kostspieligem B-Movie-Trash, Ironie und tieferer Bedeutung
Nie zuvor wurde im Kino der düstere Alltag marokkanischer Prostituierter so authentisch und liebenswert geschildert wie von Nabil Ayouch und seinen vier hinreißenden Laiendarstellerinnen in »Much Loved«
Eine junge Äthiopierin des Jahres 1936 flüchtet vor der Zwangsverheiratung in eine Fantasiewelt, die Andy Siege in seinem furios inszenierten Debüt »Beti und Amare« mit Märchen-, Fantasy-, und Horrorelementen grandios bebildert
Gordian Maugg porträtiert den berühmten Regisseur Fritz Lang, der Ende der zwanziger Jahre nach einem neuen Stoff sucht, als einen Getriebenen. Heino Ferch in der Titelrolle ist hervorragend, von Stoisch bis Arrogant
»The Lady in the Van« basiert auf den Erinnerungen des britischen Schriftstellers Alan Bennett. Maggie Smith in der Titelrolle versieht ihre Figur mit Ecken und Kanten, so dass die Verfilmung nicht zum Feelgoodmovie verkommt
Akt
Dokumentarfilm über drei Frauen und einen Mann, die an der Leipziger Kunsthochschule als Aktmodelle arbeiten. Seinen Protagonisten nähert sich »Akt« mit Behutsamkeit und wird dafür mit Offenheit belohnt
Britta Wauer entdeckt im bescheidenen und humorvollen Rabbi Wolff das Zeug zum inspirierenden Vermittler mit abendfüllenden Unterhalterqualitäten
Guy Maddins Obsession für das frühe Kino geht mit ihm durch. Mit bizarrem Humor springt »The Forbidden Room« durch ein Dutzend liebevoll nachempfundener Genres aus der Zeit des Stumm- und frühen Tonfilms
Monumentaler Dokumentarfilmessay von Lutz Dammbeck, erkenntnisreich, verschroben und unterhaltsam. »Overgames« schlägt verwegen eine Brücke von Gameshows zur Idee der permanenten Revolution
Sechs Männer auf einer Luxusyacht in der Ägäis: Mit ihrem dritten Film »Chevalier« schafft die Griechin Athina Rachel Tsangari eine Laborsituation zur Erforschung männlicher Verhaltensweisen. Die Mischung aus subtilem und grobem Humor ist fein austariert, aber das Szenario wirkt etwas konstruiert
Nuancierter Dokumentarfilm, der das Aufeinandertreffen von fünf eritreischen Flüchtlingen und dem provinziellen deutschen Alltagsleben humorvoll in den Fokus rückt, aber auch problematisiert
Das Drama »Unter dem Sand« über deutsche Kriegsgefangene, die zum Minenräumen an die Westküste Dänemarks geschickt werden, entwickelt sich zwar konventionell, ist aber so herausragend gespielt und fotografiert, dass der Widerstreit zwischen Ideologie und Menschlichkeit ergreift und kaum mehr loslässt
Ove ist ein pedantischer Grantler, der seine Nachbarschaft mit dem Gestus eines Großhausmeisters in Schach hält. Bis die neue persische Nachbarin Parvaneh den Alten in ihr Leben einbindet: »Ein Mann namens Ove«
Eine Reise ins Amazonasgebiet wird für zwei Wissenschaftler, begleitet von einem weisen Schamanen, zum Selbstfindungstrip. Großartig fotografiert, schildert »Der Schamane und die Schlange« auf nüchterne Weise die Auswirkungen von Kolonialismus und Missionierung
Die Erwartungen an das Herzensprojekt von Hauptdarstellerin und Mitproduzentin Ellen Page waren hoch. Doch Regie und Drehbuch zu »Freeheld« , der wahren und relevanten Geschichte, bleiben oberflächlich und lieblos
Vordergründig erzählt Thomas Vinterbergs hervorragend besetztes Porträt einer kleinen Kommune in den 70er Jahren eine melodramatische Dreiecksgeschichte. Zugleich aber zeichnet dieser in vieler Hinsicht überraschende Film auch noch ein sehr differenziertes Bild alternativer Lebensentwürfe: »Die Kommune«
In ihrer dritten Regiearbeit »Wild« erzählt Nicolette Krebitz von einer düster-märchenhaften Amour fou zwischen einem Wolf und einer jungen Frau, die die Grenzen zwischen Menschlichem und Animalischem, zwischen Zivilisation und Wildnis zersetzt
Kirgisistans Oscareinreichung »Nomaden des Himmels« macht die Verbundenheit seiner Protagonisten mit der Bergwelt und ihren Mythen nachvollziehbar. Trotz einzelner plakativer Momente ein Film von karger, stiller Schönheit
Der dänische Oscarkandidat für den besten Auslandsfilm handelt von der fatalen Entscheidung, die ein Offizier in Afghanistan trifft. Tobias Lindholm erzählt dies in »A War« als Charakterdrama voll moralischer Ambivalenzen
Der mit langen Einstellungen sparsam erzählte Film »Ixcanul« behält trotz seiner melodramatischen Geschichte einen überzeugenden dokumentarischen Charakter. Regisseur Jayro Bustamante erzählt einfühlsam von der vergessenen und ausgenutzten Maya-Bevölkerung in Guatemala, die für das Schicksal vieler indigener Bevölkerungsgruppen ohne Aussicht auf Besserung steht
Eine überforderte Mutter überlässt ihre drei kleinen Kinder ihrem Schicksal. Das könnte der Stoff eines bitteren Sozialdramas sein. Doch Mara Eibl-Eibesfeldts poetisches Debüt »Im Spinnwebhaus« gleicht eher einem kunstvollen Märchen, dessen betörende Schwarz-Weiß-Bilder einen verzaubern
Die Geschichte einer innigen Frauenfreundschaft, die vom Schicksal auf eine harte Probe gestellt wird. »Im Himmel trägt man hohe Schuhe« stellt sich furchtlos den Realitäten einer tödlichen Krebskrankheit, um dann zwischen romantischer Feelgoodkomödie und hartem Krebsdrama ins Schlingern zu geraten
Wer etwas übrig hat für die Zeitlupen und die Zerstörungswut von Zack Snyder, wird »Batman v Superman« vielleicht etwas abgewinnen können, zumal Wonder Woman ihr vielversprechendes Leinwanddebüt gibt. Doch dürftig motivierte Protagonisten und eine unbefriedigende Geschichte machen den Auftakt der DC-Comics-Saga zu einem ermüdend-nervigen Film
»Chamissos Schatten« ist eine besonders gelungene und reichhaltige Arbeit Ulrike Ottingers, die sich durch visuelle Schönheit, erzählerische Gelassenheit und reiche historische Resonanz in Reiseberichten aus dem 18. und 19. Jahrhundert auszeichnet. Aber auch – so einfach wie wirkungsvoll – entspannt ausführlicher Ersatz-Tourismus für alle, die sich solche Reisen selbst nicht leisten können
Eine französische Komödie der Differenzen, in der die weit auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich durch ein bizarr-märchenhaftes Liebes- und Familienexperiment überwunden wird. »Familie zu vermieten«, der als High-Concept-Kino beginnt, entwickelt sich zu einem verdreht-romantischen Liebesfilm
Ein junger Brite (Taron Eagerton) hat einen Traum: nur ein einziges Mal als Skispringer bei Olympia teilzunehmen. Die haarsträubende Story von Möchtegern-Olympionike Michael Edwards, genannt »Eddie the Eagle«, gelingt hier nur zum Teil als kurzweilige Sportkomödie
Die Dreieckskonstellation zwischen einem alternden Privatdetektiv, seiner 15-jährigen Tochter, die von seiner Existenz nichts weiß, und deren Mutter, pendelt leider etwas unentschieden zwischen Drama, Detektivfilm und sarkastischer Bourgeosie-Dekonstruktion. Im Einzelnen freilich ist »Alle Katzen sind grau« charmant und immer wieder auch berührend
Eine Frau erwacht im Bunker eines Mannes, der vor der Tür den Weltuntergang wähnt. Viel mehr sollte man gar nicht wissen über »10 Cloverfield Lane«, der als klaustrophobischer Thriller unter anderem mit einem glänzenden John Goodman überzeugt
»Sommer in Wien« ist kein Jahreszeitenporträt einer Stadt, sondern ein titelgemäß entspanntes Sammelsurium von Daseinsmomenten und Ausflügen in eigenwillige Lebensentwürfe, die sich dem herrschenden Zeitgeist nicht unterwerfen
Einen intensiven Blick auf Armut und Gewalt in den Betonwaben eines Arbeiterviertels von Caracas gewährt die venezolanische Regisseurin Mariana Rondón in der herzzerreißenden Coming-of-Age-Story »Pelo Malo«
»No Land's Song« ist ein ergreifender und mitreißender Dokumentarfilm, der das Ringen um den öffentlichen Auftritt einiger Sängerinnen in Teheran in einen kraftvoll kämpferischen Auftritt auf der Bühne münden lässt
Im Kampf zwischen Werktreueverpflichtungen gegenüber den Fans und künstlerischen Aneignung flüchtet sich Robert Schwentke im vorletzten Teil des Franchises »Die Bestimmung« in aufwendige, aber wenig beeindruckende Digitaleffekte und ausufernde Monologe, in denen die Figuren zu Nachhilfelehrern für die Nicht-Leser des Romans werden
Die Suche nach Jesu Leichnam als kriminalistische Recherche: Ein römischer Soldat, stark gespielt von Joseph Fiennes, leitet die Ermittlungen und wandelt sich in deren Folge vom stoischen Skeptiker zum bekehrten Christ. »Auferstanden« ist ein überdurchschnittlicher Bibelfilm inszeniert von der einstigen Regiehoffnung Kevin Reynolds
Geschmacklos, unverschämt, hemmungslos idiotisch: Wer an den tief unterhalb der Gürtellinie angesiedelten Zoten von Sacha Baron Cohen seinen Spaß hat, ist bei »Der Spion und sein Bruder« genau richtig. Die rasante Agentenfilm-Parodie verbindet Geniales und Hirnrissiges zu einem ebenso amüsanten wie unvorhersehbaren Gagfeuerwerk

Film

Akt