Kritik zu Akt

© Real Fiction

2015
Original-Titel: 
Akt
Filmstart in Deutschland: 
14.04.2016
L: 
105 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Mario Schneider lässt in seinem Dokumentarfilm drei Frauen und einen Mann, die an der Leipziger Kunsthochschule als Aktmodelle arbeiten, ihre Lebensgeschichten erzählen

Bewertung: 4
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»Auf dass man tausend Jahr, nachdem wir starben, sehe, wie schön ihr wart...« Mit einem Zitat frei nach Michelangelo beginnt dieser Dokumentarfilm, der auf den ersten Blick unsere herkömmlichen Vorstellungen von Schönheit infrage stellt. Er tut dies anhand von vier Menschen, die als Aktmodelle an der Kunsthochschule Leipzig tätig sind. Diese Tätigkeit als Moment der Entblößung, aber auch als Augenblick des Zu-sich-selber-Kommens durch die damit verbundene meditative Ruhe nimmt jedoch im gesamten Film weit weniger Raum ein als die Lebensgeschichten der vier Menschen.

Allerdings, und das stellt dann doch die Verbindung her zum Moment des Nackt-Modellstehens, scheint die Bereitschaft zur körperlichen Entblößung auch die zur seelischen Entblößung zu erleichtern. Die Lebensgeschichten von Uta, Gabriela und Max sind Geschichten des Leidens, Geschichten von körperlicher Versehrtheit, von zerbrechenden Familien und familiärem Missbrauch. Umso bewundernswerter das Selbstbewusstsein, mit dem sie heute vor die Kamera treten. Die 66-jährige Uta etwa verdient ihr Geld als Straßenmusikantin und führt mit ihrem Lebensgefährten ein Leben am Rande des Existenzminimums. Sie berichtet von ihrer komplizierten Geburt, bei der sie im Mutterleib für tot erklärt wurde, vom Verlust ihrer Haare und der weitgehenden Erblindung, dem Aufwachsen in einem Achtpersonenhaushalt, in dem sie sich um die jüngeren Geschwister kümmern musste, aber auch von ihrer Zeit als Mutter von vier Kindern. Die 50-jährige Gabriela, die von sich selber sagt, sie sei »ein schwieriger Mensch«, kümmert sich aufopferungsvoll um ihren Lebensgefährten, den sie kennenlernte, als sie 21 war, und der innerhalb eines Jahres völlig taub wurde. Der 32-jährige Max erzählt von den komplizierten Operationen, die er als Kind über sich ergehen lassen musste, um seine angeborene »Hasenscharte« in den Griff zu bekommen, und von den Auseinandersetzungen mit seinem Bruder, der beim Vater aufwuchs, während er selber bei der Mutter lebte. Über die Biografie der 26-jährigen Anette hingegen erfährt man wenig, ihre Gedanken gelten eher der künstlerischen Tätigkeit, denn sie ist nicht nur Modell, sondern studiert auch selber Kunst. Für den Zuschauer, den gerade die beiden älteren Frauen mit ihrer kämpferischen und selbstbewussten Haltung trotz ihrer Leidensgeschichten begeistern, ist dies ein vergleichsweise wenig erkenntnisreicher Teil des Films.

Seinen Protagonist en nähert sich der Film beim Modellstehen mit sanften Kamerabewegungen an, ihre Äußerungen kommen, bis auf wenige Ausnahmen, als Töne aus dem Off, eine Behutsamkeit, die sehr für dieses Werk von Mario Schneider (»Heinz und Fred«, »MansFeld«) einnimmt.

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