Kritik zu Miller's Girl

englisch © Lionsgate Movies

Jenna Ortega belegt erneut ihr starkes Leinwand-­Charisma in einem Drama um Literatur, Machtspielchen und einer nur gedanklich vollzogenen Skandalaffäre zwischen Lehrer und Schülerin

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Wer als junge Schauspielerin in ­Hollywood dieser Tage so richtig durchstartet, wird eher früher als später in einem Film besetzt, dem (nicht selten von der Kritik) auf die Fahne geschrieben wird, er sei ein cleverer Kommentar auf aktuell geführte Debatten zum Verhältnis der Geschlechter. Nach Phoebe Dynevor in »Fair Play« und Emilia Jones in »Cat Person« ist nun Jenna Ortega dran, die für »Miller's Girl« unmittelbar vor dem Start der Serie »Wednesday« vor der Kamera stand, die sie Ende 2022 endgültig zum Shooting Star machte.

Im Regiedebüt von Jade Halley Bartlett spielt Ortega eine 18-jährige Schülerin mit dem eindrucksvollen Namen Cairo Sweet, die ungemein klug, belesen und an Themen wie Sex und Begehren interessiert ist, die sie gleichwohl bislang nur aus der Literatur kennt. Mit diesen Eigenschaften weckt sie das Interesse ihres neuen Creative-Writing-Lehrers Jonathan Miller (Martin Freeman). Der ist nicht nur begeistert von jemandem mit echtem Talent in einer seiner Klassen, sondern springt vor allem darauf an, dass Cairo ihm mehr Interesse entgegenbringt als seine eigene, meist angetrunkene und deutlich erfolgreichere Ehefrau Beatrice (Dagmara Dominczyk). Und sogar seinen bislang einzigen, etliche Jahre zurückliegenden und von der Kritik wahlweise unbeachteten oder verrissenen Roman »Apostrophes and Ampersands« gelesen hat.

Dass die beiden bald auch außerhalb des Klassenraums Zeit miteinander verbringen, sei es bei einer Zigarette neben dem Sportplatz oder in einem Literatursalon, ist natürlich bereits ein erstes Überschreiten von Grenzen. Doch Cairo findet schnell Freude daran, selbige noch intensiver auszuloten. Vor allem, als sie sich für den Semester­abschluss von einem Autor ihrer Wahl inspirieren lassen soll – und sich ausgerechnet für Henry Miller entscheidet, dessen erotisch mehr als aufgeladene Literatur sie als Vorbild für die Geschichte einer Affäre zwischen einem Lehrer und seiner Schülerin nimmt. Miller turnt das durchaus an, doch als er sich weigert, den Aufsatz in dieser Form anzunehmen, landet dieser plötzlich im Rektorat, was natürlich nicht ohne Folgen bleibt.

Cancel Culture, fragwürdiger Umgang mit Schutzbefohlenen, tabuisiertes Verlangen und Verführung in einer Zeit nach #MeToo, all das bringt Bartlett in ihrem Drehbuch zwar aufs Tapet, wirklich etwas zu sagen scheint sie dazu allerdings leider nicht zu haben. Stattdessen verheddert sie sich in einer Geschichte, die mal an schwüle Erotikthriller aus den 90ern à la »Wild Things« erinnert, mal an unbeholfene Satire oder eine falsch verstandene Variante von Camp. 

Falsch und unecht wirkt in »Miller's Girl« nicht nur so mancher Südstaaten­akzent, sondern eigentlich auch das Verhalten praktisch aller Figuren. Allen voran Cairo, die als Tochter reicher, international agierender Anwälte hier einerseits auf sich allein gestellt in einem riesigen Anwesen haust, andererseits aber angeblich noch nie auch nur für einen Tag ihre Heimatstadt verlassen hat. Immerhin: Selbst ein so absurder, gänzlich unspannender, aber immerhin hübsch anzusehender Unfug kann Ortegas beträchtlichem Star-Charisma nichts anhaben.

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