Kritik zu Daniel Richter

© Weltkino

2022
Original-Titel: 
Daniel Richter
Filmstart in Deutschland: 
02.02.2023
L: 
118 Min
FSK: 
12

Pepe Danquart porträtiert einen der bedeutendsten Maler der Gegenwart auf eine Weise, die die Sinnhaftigkeit abstrakter Malerei und deren gesellschaftliche Funktion deutlich macht

Bewertung: 4
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»Ich glaube nicht, dass dies irgendjemanden wirklich interessiert«, sagt Daniel Richter zu Beginn des Films und kommentiert diesen Satz mit einem herzhaften Lachen. Doch wer nun denkt, er selbst oder gar der Film nähmen den Prozess, in dem bildende Kunst entsteht, nicht ernst, der irrt. Von ihrer gesellschaftlichen Wirkung ganz zu schweigen. Wenn man sich Daniel Richters Bilder anschaut, seinen Lebenslauf als Punk in den Siebzigern und Gestalter von Plattencovern für das Hamburger Label Buback, bei dem auch die Goldenen Zitronen erschienen und das ihm heute allein gehört, dann denkt man nicht an ein strukturelles Arbeiten. Tatsächlich entstehen Richters Bilder in einem linearen Prozess, dessen Ende nicht mal er selbst kennt. 

Wichtig aber ist der Ausgangspunkt, etwa Fotos aus dem Kriegsjahr 1916 oder eines Männer romantisierenden Taliban. Diesen visuellen Eindruck transformiert Richter auf die Leinwand, verschiebt, reduziert, betont Körperteile oder lässt sie in der Unschärfe verschwimmen und addiert eine hochindividuelle Farbigkeit. Und so entsteht Strich für Strich ein Gemälde aus Öl und Kreide auf der Leinwand, dessen Unfertigkeit nur er selbst erkennt, das aber am Schluss auf merkwürdige Weise auch den Laien ästhetisch überzeugt. 

Uns an dieser Entstehung teilhaben zu lassen, ist eine Leistung des Films von Pepe Danquart. Im Gegensatz zu seinem Namensvetter Gerhard Richter ist Daniel Richter ein großartiger Analyst seiner selbst. Ohne Hemmungen spricht er von selbstironischen Konstrukten, von der kreativen Abneigung des Konventionellen oder Geldgierigen und der produktiven Kraft des Suchenden. Weit entfernt von jedem Geniekult zeigt der Film, wie handwerklich Malerei sein muss und dass sie dem Spott in der Szene zum Trotz eben doch Bestand hat. Richter ist anders als sein Freund und Widerpart Jonathan Meese, der im Film ausführlich zu Wort kommt, nicht das ausgemachte Enfant terrible der Kunstszene, sondern ernsthafter Schöpfer einer gegenwärtigen Ausdrucksform, der nichts dem Zufall überlässt. Auch die Hängung seiner Bilder in London, Paris oder New York nicht. 

Pepe Danquarts große Kunst besteht darin, hinter seinem Objekt zu verschwinden. Schon sehr bald hat man das Gefühl, selbst dabei zu sein, wenn Daniel Richter malt. Man meint förmlich zu spüren, wie es kitzelt, wenn einer der beiden kleinen Papageien, die Richter in seinem Atelier frei fliegen lässt, auf der Schulter landet und beginnt, am Kragen des farbbespritzten Pullis zu knabbern. Das Medium nimmt keinen Raum für sich ein, auch dann nicht, wenn man die Komposition bemerkt und zum Schluss in dem gleichen Restaurant landet wie zu Beginn. Auch die Zeit verschwimmt zu einer übergreifenden Gegenwärtigkeit. Pepe Danquart hat Daniel Richter zu Ausstellungen nach New York und Paris begleitet, zu einem Konzert der Goldenen Zitronen oder zu der Kunsthistorikerin Eva Meyer-Hermann, die an einem Buch über Richter arbeitet. Nur er selbst ist in seinem hoch unterhaltsamen Film verschwunden.

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