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Gerhard Midding

Auch das Metier des freischaffenden Journalisten kennt seine Rituale und Unausweichlichkeiten. Der Beruf des Filmkritikers hält zumindest eine Besonderheit bereit. Wann immer man ihn bei einer Party erwähnt, wird man augenblicklich um aktuelle Empfehlungen gebeten. Ich nehme an, das passiert Kunst-, Musik oder Theaterkritikern erheblich seltener.

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Es ist gut möglich, dass Kurorte einmal die letzten Glieder in der Verwertungskette waren. An welch anderen Ort könnten Filme ein solch geruhsames Nachleben führen? Über das Sehverhalten von Kurgästen ist leider wenig bekannt. Wie gut verdaulich musste die Kost sein, die vorgesetzt wurde, nachdem sie die verschriebenen Anwendungen und das rituelle Kuchenessen erfolgreich hinter sich gebracht hatten? Dank der Knauserigkeit der Krankenkassen ist dies freilich zu einem höchst marginalen Forschungsgebiet geworden.

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Wäre man abergläubisch, dürfte man nun aufatmen: "Das haben wir ja doch mit heiler Haut überstanden." Aber seit der Aufklärung lösen Sonnenfinsternisse keinen Schrecken mehr aus, sondern faszinierte Schaulust. Das ist im Kino in der Regel noch ganz anders. Dort ist, um der dramatischeren Wirkung willen, eine Sonnenfinsternis allerdings auch meist total; ein Phänomen, dessen wir in unseren Breiten nur selten ansichtig werden.

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Im Gegensatz zu den anderen Künsten lässt sich die Geburtsstunde des Kinos sehr genau bestimmen: Es geschah in der Mittagszeit des 19. März 1895. Zu diesem Zeitpunkt postierte sich Louis Lumière mit seinem Cinématograph in der Rue Saint-Victor gegenüber der Hausnummer 22-23 und forderte seine Angestellten auf, die optischen Werke, die er zusammen mit seinem Bruder Auguste betrieb, durch das Fabriktor zu verlassen.

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Vor einigen Jahren betreute mein Pariser Gastgeber für die Zeitschrift "Positif" einen Themenschwerpunkt über Ernst Lubitsch und fragte, ob es nicht eine neue, frische Perspektive aus Deutschland dazu gebe. Ich hatte eine Idee, für dich ich selbst als Autor ungeeignet war, die ich aber viel versprechend fand: Man könnte doch einmal nachforschen, ob es trotz allem nicht Spuren von Lubitsch' Stil im deutschen Tonfilmkino gebe? Wir mussten die Idee fallen lassen, da sich kein Autor fand, der diese Forschungsarbeit in so kurzer Frist bewältigen könnte.

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Es kam dann alles ganz anders. Aber es kam nicht so, als dass man sein Eintrittsgeld hätte zurückverlangen müssen. Die Akzente verschoben sich mächtig. Ein Podiumsgast trat bescheiden hinter einen anderen zurück. Die Theorie überließ der Praxis das Feld. Mehr oder weniger.

Gerhard Midding

Bei unseren ersten Telefongesprächen wollte er rein gar nicht über seine eigene Arbeit sprechen. Er stellte vielmehr lauter Fragen nach dem Verbleib seiner alten Weggefährten: Was aus Eva Mattes geworden sei, bei wem Peter Kern heute spielen würde. Natürlich interessierte er sich für den Werdegang seiner Kollegen, besonders den der Kameraleute Jörg Schmidt-Reitwein oder Igor Luther. Ob Wolf Wondratschek noch immer über Boxen schrieb, wollte er wissen. Selbst nach Walter Bockmayer erkundigte er sich.

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Die Spitze des Eisbergs ist anscheinend gründlich aus der Mode gekommen. Als Metapher hatte sie sich längst schon abgenutzt, bevor ich auf die Welt kam. Wenn mich das Suchprogramm meines Computers nicht täuscht, habe ich sie in den letzten anderthalb Jahrzehnten auch nur ein einziges Mal in einem Text benutzt. Besäße es also nicht sogar eine gewisse Originalität, wenn ich sie wieder einmal ins Gespräch brächte?

Auf Filmfestivals lässt sie sich durchaus anwenden. Schließlich kann nur ein verschwindend geringer Bruchteil der eingereichten Filme gezeigt werden.

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Beinahe wäre er aus den falschen Gründen in die Filmgeschichte eingegangen. Lange Zeit war er vor allem bekannt dafür, Gegenstand eines berühmten Experiments zu sein. Lew Kuleshow montierte eine Großaufnahme, in der sein Gesicht keinen Ausdruck erkennen ließ, hinter die Einstellungen eines Suppentellers, eines Sargs und eines Kindes. Das nichtsahnende Publikum brach in Entzücken aus über die Kunst Ivan Mosjukins, Hunger, Trauer und väterliche Fürsorge auszudrücken.

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So höflich sind wohl nur japanische Firmenchefs zu ihren Untergebenen: "Verzeihen Sie, dass ich allen Abteilungen so viel Arbeitet bereitet habe", schrieb Isao Takahata in einem Rundbrief während der Produktion an Die Legende der Prinzessin Kaguya. Und sein Kollege Hayao Miyazaki fügte einer Zeichnung folgende Entschuldigung hinzu: "Sie ist nicht präzise genug, das Gesicht ist zu groß geraten. Vielen Dank, wenn Sie das verbessern."