Disney+: »Peter Pan & Wendy«

englisch © Disney+

Verlorene Jungs und taffe Girls

Die Flut der Realverfilmungen, für die man im Hause Disney die eigenen Animations-Archive plündert, reißt nicht ab. Doch interessanterweise scheint dabei eine Art Zwei-Klassen-System zu herrschen. Während die Remakes jener Erfolgsfilme der vergangenen 30 Jahre – man denke an »Der König der Löwen« oder aktuell natürlich »Arielle, die Meerjungfrau« – es auf die Kinoleinwände schaffen, werden die Adaptionen älterer Klassiker in letzter Zeit lediglich bei Disney+ veröffentlicht. Nach »Susi & Strolch« und »Pinocchio« nun auch »Peter Pan & Wendy«, was in diesem Fall besonders bedauerlich ist. Denn nicht nur ist der neue Film von David Lowery eine der besten der Disney-Neuverfilmungen. Sondern auch deutlich stärker als andere Adaptionen des Klassikers von J.M. Barrie, sei es Steven Spielbergs »Hook«, P. J. Hogans »Peter Pan« oder Joe Wrights »Pan«.

Von einer radikalen Erneuerung der altbekannten Geschichte kann dabei nicht die Rede sein, zumal sich Lowery, der das Drehbuch gemeinsam mit Toby Halbrooks verfasste, natürlich an der hauseigenen Vorlage orientiert. Die Handlung setzt ein, als sich die junge Wendy Darling (Ever Anderson) im London der Jahrhundertwende darauf vorbereitet, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Am nächsten Morgen soll sie aufbrechen ins Internat, doch am Abend vorher ist ein letztes Mal ausgelassenes Spielen mit ihren beiden kleineren Brüdern angesagt – und dem Wunsch freier Lauf gelassen, dass die unbeschwerte Kindheit andauern möge.

Für Peter Pan (Alexander Molony), den Jungen, der nicht erwachsen werden will, ist genau das das Stichwort, und so landen er und seine treue Begleiterin, die kleine Fee Tinker Bell (Yara Shahidi), nachts im Zimmer der Darling-Kinder und fliegen mit ihnen hinaus aus dem Fenster ins große Abenteuer. Im Nimmerland treffen sie auf Tiger Lily (Alyssa Wapanatâhk) und ihre Bande der »Verlorenen Jungs«, doch natürlich lauern dort auch Captain Hook (Jude Law) und seine Piraten, die nicht nur Peter Pan in ihre Finger bekommen wollen, sondern auch alle, die mit ihm gemeinsame Sache machen.

Nicht ohne Grund hat Lowry den Titel des Films um Wendys Namen ergänzt, und eigentlich müsste er sogar an erster Stelle stehen. Das Mädchen ist die Figur, die in dieser Fassung der Geschichte letztlich den größten Raum einnimmt, derweil das Verhältnis von Peter zu ihr als zentraler Konflikt dem zwischen ihm und Hook ebenbürtig ist. Das funktioniert erzählerisch bestens, verleiht dem Film aber natürlich vor allem einen moderneren Anstrich. Lowry unterzieht also Stoff und Figuren einer Frischekur und holt so ein junges Publikum von heute ab. Tiger Lily ist endlich kein überholtes Indianer-Klischee mehr und wird von einer indigenen Schauspielerin verkörpert, während zu ihrer Truppe inzwischen auch Mädchen und etwa ein Junge mit Downsyndrom gehören.

Dass Peter Pan selbst nicht nur unschuldig und frech, sondern dank einer großen Portion Arroganz manchmal fast ein bisschen unsympathisch wirkt, ist ebenfalls eine interessante Neuerung, die die Dynamik im Gefüge ein klein wenig verschiebt. Nur auf die Vorgeschichte, die Captain Hook hier verpasst bekommt, hätte man vielleicht verzichten können. Zwar verleiht sie der Rivalität mit Peter eine zusätzliche Ebene, raubt dem Bösewicht allerdings auch ein wenig von seiner Boshaftigkeit. Jude Law, inzwischen also auch im Villain-Alter angekommen, spielt ihn immerhin mit erstaunlichem Tiefgang, weit weg von den humorigen Midlife-Rollen des Kollegen Hugh Grant.

Alles in allem fehlt »Peter Pan & Wendy« hier und da vielleicht ein wenig Charme und Magie, nicht nur angesichts des furchteinflößenden CGI-Krokodils, das hier sein Unwesen treibt. Und auch die emotionale Wucht von »Elliot, der Drache«, Lowerys erstem Disney-Real-Remake entwickelt der Film nicht ganz. Schwungvolle, unterhaltsame und visuell erfreulich gelungene Kost ist er aber ohne Frage, gerade weil er nicht sklavisch an der Vorlage klebt und ihr trotzdem stimmig Tribut zollt.

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