45. Filmfestival Max Ophüls Preis

Low Budget!
»Draußen brennt's« (2023). © David Simon Groß

»Draußen brennt's« (2023). © David Simon Groß

Zum 45. Mal: Beim Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken traf sich der deutschsprachige Filmnachwuchs – und gab ein richtig gutes Bild ab

Es gibt Bilder, die sich einbrennen. Eigentlich kommt die Biologin Lena nur per Zufall an der Unfallstelle vorbei, wo ein Auto brennt und sie den Todesschrei einer Frau hört. Aber diese Szenerie wird sie nicht loslassen, wird sie verfolgen. Lena arbeitet in Polen an einem Forschungsprojekt, lebt dort mit ihrem Freund zusammen. Aber nach dieser Nacht verläuft ihr Leben nicht mehr in den ruhigen Bahnen zwischen Mikroskopieren und Zuhause. Lena spürt der Verstorbenen nach, versucht sogar, ihren Platz einzunehmen, verwandelt sich in sie. In »Krzyk: Losing Control« (Krzyk heißt Schrei) gelingt es Ewa Wikiel beeindruckend, eine Atmosphäre des Mysteriösen zu kreieren und mit geschickt eingesetzten Locations und einer fantastischen Kameraarbeit im Zuschauer ein Gefühl des Alptraumhaften zu erzeugen. Was ist Realität, was ist Vorstellung? Und gekonnt setzt die Regisseurin, die mit »Krzyk« ihren Abschlussfilm an der DFFB vorlegte, Elemente des Horrorfilms und des Kinos der Angst ein. 

Dass es unter dem Filmnachwuchs weniger Berührungsängste mit dem schrägeren Genrekino gibt, wertet man gern als gutes Zeichen; zudem fand sich unter den 13 Filmen des Wettbewerbs um den Max Ophüls Preis auch keine »reine« Komödie, Deutschlands beliebtestes und »mainstreamigstes« Genre. Auch »Manchmal denke ich plötzlich an dich« von Lynn Oona Baur spielt mit den Elementen des Horrorkinos, der Abgeschlossenheit, den kleinen Veränderungen, die Gefährliches bedeuten können. Denn aus dem Kurzurlaub, den ein Paar mit seinem Kind auf der Hallig Hooge verbringt, wird ein Trip in den Abgrund einer Mutter-Kind-Beziehung. Kinder können gefährlich werden, das wissen wir aus dem Kino. Aber Baurs Film ist natürlich nicht Omen, und es bleibt alles auf der subtilen Ebene der Andeutungen und Interpretationen. 

Nach der Vorführung erzählte Lynn Oona Baur, dass ihr Film ohne Mittel von Filmförderungen entstand, die ihr Projekt ablehnten. Sie konnte ihn nur mit eigenem Geld und Rückstellungen der künstlerisch Beteiligten realisieren. Auch das macht Hoffnung: der Enthusiasmus, unbedingt Filme machen zu wollen und sich nicht vom Förderbusiness verbiegen zu lassen. Mit 45 000 Euro hat Hannes Schilling seinen in Scope-Schwarz-Weiß gedrehten Film »Good News« in Thailand in Szene gesetzt, über einen Journalisten, der sich eine Reportage über die Rebellen im Dschungel lieber ausdenkt, als sie erlebt zu haben. Aber Schilling geht es nicht um eine weitere Relotius-Geschichte, sondern um die Verantwortung, die der Journalist mit seinem Netz aus Lügen sträflich vernachlässigt. Lowest Budget waren auch die beiden Ensemblefilme »Draußen brennt’s« von Ella Haas und »Wo keine Götter sind, walten Gespenster« von Bastian Gascho. Straft der erste, in dem eine Gruppe von jungen Menschen 14 Tage im Lockdown zusammenlebt, den Zuschauer mit einer erkenntnisentleerten, improvisierten Langeweile, so versucht der zweite eine Parabel im Stil eines Max Linz oder Julian Radlmaier: Es geht darum, wie eine Gruppe in einer unspezifischen Zukunft den Widerstand gegen das angeordnete »glückliche Leben« organisiert. 

Der Bahnstreik, der in der Festivalwoche begann, stellte das Festival zwar vor logistische Probleme – Rückfahrmöglichkeiten mussten organisiert, Zimmer verlängert werden –, konnte seinen Kurs aber nicht beirren: Ausverkaufte Vorstellungen allen­thalben und eine Kinoauslastung von 75 Pro­zent (!!!) blieben am Schluss. Und da gab es auch die Preise. Den Publikumspreis und den Preis der Ökumenischen Jury gewann »Jenseits der blauen Grenze« von Sarah Neumann, die gekonnt und professionell inszenierte Geschichte der Flucht einer Leistungsschwimmerin aus der DDR im Sommer 1989. Gleich drei Preise (bester Film, bestes Drehbuch, Preis der Filmkritik) konnte sogar »Electric Fields« der Schweizer Regisseurin Lisa Gertsch auf sich vereinen, ein in Schwarz-Weiß und dem unüblichen 1,33-Format gedrehter Episodenfilm, in dem sich das Rätselhafte zu einer wunderbaren Lakonie verdichtet, die an die Filme von Roy Andersson erinnert. Schon die erste Szene nimmt für diesen Film ein: Sie zeigt, wie die Klänge eines Transistorradios einen Toten erwecken. Zumindest für eine gewisse Zeit ... Eine würdige Wahl.

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