Venedig: Rückkehr der alten weißen Männer

»The Promised Land« (2023). © Henrik Ohsten, Zentropa

»The Promised Land« (2023). © Henrik Ohsten, Zentropa

Die 80. Filmfestspiele von Venedig eröffnen mit einer Serie von ganz und gar auf Männer fokussierten Filmen, so etwa Michael Manns Ferrari-Biopic mit Adam Driver. Wirklich mitreißend ist dabei nur »The Promised Land« des dänischen Regisseurs Arcel

Die feministische Erneuerungsphase der altehrwürdigen »Mostra« scheint vorbei. Anders als in den vergangenen drei Jahren, in denen jeweils Frauen mit Frauen-fokussierten Filmen den Goldenen Löwen gewinnen konnten, gehörten die ersten Tage der 80. Filmfestspiele von Venedig einmal mehr ganz den alten weißen Männern - wohlgemerkt den Filmen von ihnen und den Filmen über sie. Der Eröffnungsfilm, das Kriegsdrama »Comandante« des italienischen Regisseurs Edoardo De Angelis erschien noch als Verlegenheitslösung, weil wegen des Streiks in Hollywood Jungstar Zendaya zur Premiere des eigentlich zum Auftakt geplanten Films, dem Tennis-Drama »Challengers«, nicht anreiste.

»Comandante« aber zeigte sich als eher schlechter Ersatz. Nicht nur, weil De Angelis' Weltkriegs-Film ausgesprochen behäbig daherkommt und wichtige Geschichtskontexte einfach ausblendet. Das Drama über einen inmitten der atlantischen U-Boot-Schlacht von 1940 menschlich handelnden Kapitäns war auch der Auftakt für eine Reihe von Filmen, in denen immer wieder nur Männer und ihr ruchloses Tun im Zentrum stehen.

In Michael Manns »Ferrari« ist das der legendäre Autobauer und Rennsportbegründer Enzo Ferrari. Gespielt wird er von Adam Driver, der sein Italienisch-Sein durch ein mit Akzent gesprochenes Englisch kundtut. Es ist eine altmodische Konvention des Hollyood-Films, die heute irritiert.

Aber auch sonst findet der mittlerweile 80-jährige Mann nicht aus den gewohnten Erzählformen heraus. Sein Enzo Ferrari wird von Krisen an allen Fronten seines Lebens geplagt: Seine Firma steht finanziell unter Druck, er muss sich auf die Suche nach Investoren machen und einer seiner besten Fahrer ist gerade bei einem Rekordversuch verunglückt. Privat muss er sich zwischen seiner kämpferischen Ehefrau Laura (gespielt von einer wie immer ausdrucksstark-temperamentvollen Penelópe Cruz), die um den verstorbenen Sohn trauert, und seiner Geliebten Lina (Shailene Woodley), mit der er einen jüngeren Sohn heranzieht, entscheiden. Der zweistündige Film führt Ferrari als stoischen Mann vor, der mit entschlossener Kälte stets das tut, was ein Mann tun muss.

Keinerlei Nachsicht legt der chilenische Regisseur Pablo Larraín für den chilenischen Diktator Augusto Pinochet an den Tag. Im Gegenteil, dass er ihn in seinem Film »El conde« als Vampir porträtiert, soll von vornherein jede Empathie verhindern. Larraín entwirft in seinem Film eine prämissenreiche Farce, in der Pinochet seinen Tod im Jahre 2006 nur vorgetäuscht hat und stattdessen, assistiert von Ehefrau und einem alten Freund, weiter die Herzen des chilenischen Volks aussagt. »El conde« verpackt die politische Fabel über eine erstarkende Rechte in eine Legende, die Pinochet mit den reaktionären Kräften aus Zeiten der französischen und der russischen Revolution sowie neoliberalen angelsächsischen Traditionen verbindet.

Luc Bessons Hauptfigur im Drama »Dogman« immerhin schert aus dem Alte-Weiße-Männer-Schema aus: Die Titelgestalt ist ein als Kind eines gewalttätigen Vaters aufgewachsenen Jungen, der später als Edith Piaf oder Marilyn Monroe verkleidet als Nachtclubsänger auftritt. Dank einer raffiniert trainierten Hundebande, seiner eigentlichen Familie, kann er ein Außenseiterleben führen, in dem er sich aber stets gegen gewalttätigere Verbrecher zur Wehr setzen muss.

Als das einzig mitreißende Männerdrama erwies sich »Bastarden« (»The promised Land«) vom dänischen Regisseur Nikolaj Arcel. Darin spielt Mads Mikkelsen die Folklore-Legendefigur des Ludvik Kahlen, der Ende des 18. Jahrhunderts versuchte, das dänische Moor zu kultivieren. Arcel macht aus ihm einen echten Westernhelden, der mit Stoizismus und eiserner Entschlusskraft die Natur bezwingt, indem er dem unfruchtbaren Boden eine Kartoffelernte abringt und den die Bauern quälenden Aristokraten und den gleichgültige Höflingen des Königs die Stirn bietet.

Mehr zwangsläufig als gewollt macht Kahlen sich zum Komplizen verschiedener Außenseiter und wird zum Rebellen. Mit beeindruckenden Aufnahmen der Heidelandschaft und einem herausragenden Mikkelsen, der seinem Männerhelden mit großer Beherrschtheit Differenziertheit und emotionale Tiefe verleiht, ist Arcel das Unikum eines skandinavischen Western gelungen.

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