Diagonale Graz: Einstweiliges Finale

Festival des österreichischen Films
»Jugofilm« (1997). © Lotus Film

»Jugofilm« (1997). © Lotus Film

An fünf Tagen im Frühjahr feierte bei der Diagonale in Graz die ­österreichische Filmwelt ihr Schaffen aller Sparten vom Fernsehkrimi bis zur Avantgarde

Seit 2016 wurde die Diagonale, gegründet 1998, von Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber geleitet. Dass diese nun ihr mit dem Filmarchiv, dem ORF-Archiv und dem Filmmuseum veranstaltetes historisches Sonderprogramm unter das Motto »Finale« stellen, ist laut Eigendarstellung im Katalog als Referenz an die Begegnung der abgründigen Nationalkultur mit der desaströsen Weltlage zu verstehen. Sie passt aber auch als ironischer Kommentar zum einvernehmlich beschlossenen Abschied des Leitungsduos nach dieser Ausgabe. Inhaltlich versammelte das »Finale« Genrestücke wie Andreas Prochaskas »Östern« »Das finstere Tal«, den filmischen Abgesang auf feudale Zeiten in der Nouvelle-Vague-Variation »Moos auf den Steinen« (Georg Lhotsky, 1968). Aber auch ein mit Fans rund um die Welt gedrehtes und mit Witz montiertes Resümee des Ösi-Auftritts bei der Fußball-WM 1989 in Frankreich, der nach Spielen gegen Kamerun, Chile und Italien in der Vorrunde mit dem Ausscheiden als Gruppendritter endete.

Realisiert hatte »Frankreich, wir kommen!« der 2014 früh verstorbene Regisseur Michael Glawogger. An ihn erinnerte beim Werkstattgespräch mit Barbara Wurm auch der Wiener Regisseur Goran Rebić, dem das diesjährige »Zur Person« gewidmet war. Er hatte sich Ende der 1980er beim Filmstudium mit »dem Michi« (und »dem Uli«, Ulrich Seidl) befreundet und zeigte in Graz erstmals öffentlich Super-8-Filme der beiden ambitionierten jungen Männer, die im kroatischen Opatija gegenseitig vor der Kamera posieren. Dorthin geraten waren sie von einer Festivalreise in Absetzung von Krawallen um ein anderes Fußballspiel, das – in Zagreb am 13. Mai 1990 – heute als Vorbote des bald eskalierenden Kroatien-Kriegs gilt.

Rebić, als Sohn jugoslawischer Arbeitsmigranten in Wien aufgewachsen, wurde von diesen nationalistischen Aufwallungen verstört, konnte das Land selbst aber nicht mehr besuchen. So nahm er einen anderen Ort als »Projektionsfläche« – wie er es nennt – und reiste in das zwischen Unabhängig-keitstaumel und Bürgerkrieg befindliche Georgien. »Am Rande der Welt« heißt seine erschütternde dokumentarische Bestandsaufnahme dieses von außen aufgezwungenen Kriegs, die aus dem heutigen Kontext noch düsterer wirkt. Fünf Jahre später realisierte Rebić – neben bedeutenden anderen Arbeiten – mit »Jugofilm« auch einen autofiktional motivierten Spielfilm zu Nationalismus unter ArbeitsmigrantInnen und Rassismus in Wien, der längst ein Klassiker des postmigrantischen Kinos ist. 

Wiederzuentdecken gab es in einer ausführlichen Hommage auch den 1999 mit nur 53 Jahren verstorbenen Grazer Aktivisten, Publizisten und Filmemacher Bernhard Frankfurter, der neben seiner Arbeit an dokumentarischen Filmen (vor allem zu Themen der NS-Zeit) und Essays auch filmpolitisch in Österreich heftig mitmischte und wesentlichen Anteil an der Gründung der staatlichen Filmförderung dort hat.

In eine idyllisch ausschauende heutige Konfliktzone reist Chrys Krikellis in seiner mit dem Dokumentarfilmpreis ausgezeichneten eindrücklichen Studie »Souls of a River«, die auf den Spuren der eigenen Kindheit denen kürzlich Verstorbener nachspürt. Es ist der griechisch-türkische Grenzfluss Evros, wo Krikellis auf einen Forensiker trifft, der sich der Erforschung und Dokumentation von Überresten bei der Querung verstorbener Flüchtlinge widmet. Die Auszeichnung für den besten Spielfilm ging zum wiederholten Mal an das (letztes Jahr mit einer Personale gewürdigte) Duo Tizza Covi und Rainer Frimmel für »Vera«, der die Tochter des Westernstars Giuliano Gemma in der eigenen Rolle in eine Geschichte voller Ambivalenzen schickt.

Viel mehr müsste man von diesem Ort berichten, wo die Debatte um das aktuelle und historische österreichische Kino in vielen Facetten lebendig aufblitzte. So lässt sich nur eins bekritteln: Dass es – wieder einmal – zu viel Stoff und zu wenig Zeit gibt. Die zukünftige Leitung aus Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar findet jedenfalls ein atmosphärisch und programmatisch bestens aufgestelltes Festival vor. 
 

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