Kritik zu Überleben in Brandenburg

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Der letzte Film des 2022 überraschend verstorbenen österreichischen Regisseurs und Schauspielers Zoltan Paul, verbindet hintersinnig und humorvoll aktuelle politische Ereignisse mit der eigenen Biografie 

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Gerade ist dem erfolglosen Filmemacher Lazlo (Zoltan Paul) wieder einmal die Finanzierung für ein neues Projekt zusammengebrochen, da trifft er beim Entspannungsrudern auf einem der Brandenburger Seen auf die Stand-up-Paddlerin Lisa (Sabine Waibel). Der Zusammenstoß kann gerade noch vermieden werden, im Bett landen die beiden dennoch. Und das, obwohl sie die 60 schon überschritten haben. Lazlos Frau Emma (Adele Neuhauser) sorgt derweil mit einem neuen erfolgreichen Filmprojekt in Kanada für das Familieneinkommen. Dazu kommt, dass ein rechtsnationaler Unternehmer, zu allem Überfluss Lisas Ex, für das Bürgermeisteramt kandidieren will und damit den Unmut einiger Dorfbewohner auf sich zieht. Und als diese Lazlo überreden können, als Gegenkandidat anzutreten, wird das Chaos, das in sein beschauliches Leben hereinbricht, perfekt. 

Nicht weit von den skurrilen Komödien eines Leander Haußmann oder Sven Regener erzählt Zoltan Paul in seinem letzten Film von rechten Bewegungen in Brandenburg, von Altersdiskriminierung und Beziehungskriegen und einem Überleben im Einfachen. Dass er zahlreiche Aspekte seines eigenen Lebens in die Handlung streut, trägt auf einer zweiten Ebene zum Witz des Films bei. »Was ist das für eine Scheißgeschichte«, sagt Lazlo einmal und meint damit sicher nicht den Film, den wir gerade sehen. Oder vielleicht doch? In jedem Fall bleibt ein Schmunzeln zurück. Denn wenn man weiß, dass auch Zoltan Paul kein Kind von Traurigkeit war, seine Ehe mit Adele Neuhauser mehr als nur eine Anekdote hervorbrachte und auch seine Filme oft nur schwer finanzierbar waren, dann wird »Überleben in Brandenburg« zu einer Art Vermächtnis.

Das Persönliche schwingt immer mit, wenn Lazlo dann zu Emma sagt: »Du bist die Frau meines Lebens, nur so zur Info« – und sich beide ungläubig ansehen, sich aber dann doch küssen. Irgendwann sitzt er zusammengekauert unter der leuchtenden Neon-Silhouette einer nackten Frau und jammert: »Ich hab einen Fehler gemacht. Aber die wilden Zeiten müssen doch nicht vorbei sein, nur weil wir alt sind!« 

Zoltan Paul Pajzs Freiherr von Rácalmás, ungarischer Adliger und mit der Band Dust schnellster Gitarrist Oberösterreichs, starb überraschend 2022 in Berlin. Die Dreharbeiten waren bereits abgeschlossen, so konnte sein Freund Ben von Grafenstein (»Die Ungewollten – Die Irrfahrt der St. Louis«), der schon einige Filme für Paul geschnitten hatte, »Überleben in Brandenburg« vollenden. Und die Figur, die Zoltan Paul hier spielt, hat er mit Sätzen wie diesen sich selbst auf den Leib geschrieben: »Ich bin Schauspieler, ich bin Filmemacher, ich bin ein Irrlicht im Universum. Ich hatte mal Träume. Ich wollte mal ganz hoch hinaus! Und wo bin ich gelandet? In einem Brandenburger Kaff an einem völlig verdreckten See. Wo mich das Leben eingeholt hat.« Daraufhin entgegnet sein alkoholbeseelter Schwiegervater: »Dein Schicksal schlummert in der Waagschale des Weltenlaufs.« Und ergänzt: »Wegen solcher Sätze hab ich dann aufgehört zu schreiben.«

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