Kritik zu My Reincarnation

© W-Film

2011
Original-Titel: 
My Reincarnation
Filmstart in Deutschland: 
02.02.2012
V: 
L: 
100 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Nichts Esoterisches: Jennifer Fox macht aus unspektakulären Dokumentaraufnahmen einer tibetisch-italienischen Familie eine spannende Erzählung über einen Kultur- und Generationenkonflikt

Bewertung: 4
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Ein Sohn, der sich ungeliebt und zu wenig beachtet fühlt; ein Vater, der möchte, dass sein Sohn in seine Spuren tritt und dessen abweichende Entscheidungen nicht wirklich respektiert; zwei Männer, die ein paar Jahrzehnte brauchen, bis sie einander verstehen. Die Geschichte, die Jennifer Fox in My Reincarnation erzählt, klingt in ihren Grundzügen fast allzu vertraut. Hat man das nicht schon Dutzende Male im Kino gesehen? Bestimmt noch nie so wie hier: Nicht nur dass Fox sich mit ihren Protagonisten zwei relativ exotische Gestalten ausgesucht hat, sie benutzt für ihre Schilderung auch Material, das gerade deshalb so spannend ist, weil man ihm anzusehen meint, dass es nicht immer um der Vater-Sohn-Geschichte willen aufgenommen worden ist.

Tatsächlich hat Fox vor über zwanzig Jahren für den Vater ihrer Geschichte gearbeitet – als Assistentin des großen tibetischen Lehrers Chögyal Namkhai Norbu, der 1959 nach der chinesischen Besetzung Tibets aus seiner Heimat fliehen musste und sich in Italien ansiedelte. Aus dem Off, unterlegt mit Familienbildern, erzählt Fox in groben Zügen vom Leben Norbus, der unter seinen frühen italienischen Yogaschülerinnen bald eine Frau fand, mit der er eine Familie und gleichzeitig ein weit verzweigtes Zentrum für tibetische Lehren und Traditionen gründete. Als Fox dort in den späten 80er Jahren begann, die Familie zu filmen, war Norbus ältester Sohn Yeshi gerade erst 18 Jahre alt. In den Szenen von damals ist die Beklemmung zwischen dem Jüngeren und dem Älteren deutlich zu sehen. Mit ganz untibetischem Eifer erzählt Yeshi von seinem Psychologiestudium, während Vater Norbu leicht verlegen lächelt und nicht ohne Spott darauf verweist, was »jung« auf Tibetisch eigentlich heißt. Recht offenherzig – und auch darin eher seine italienische als seine tibetische Seite auslebend – beklagt sich Yeshi im Interview über seinen Vater, den er als oft abwesend beschreibt. Und selbst bei seinen Besuchen zu Hause sei er ständig von Leuten umgeben und widme seinen Kindern kaum Zeit. Auch wenn er sie nicht rundheraus ablehnt, so möchte Yeshi doch nicht Norbus Tradition folgen, wozu gehört, dass er sein »Schicksal« nicht annehmen will, die Reinkarnation seines Onkels zu sein, eines wahrscheinlich 1959 umgekommenen großen Lehrers. Aus Yeshi, darüber klären Bilder aus den nächsten 20 Jahren auf, wird ein erfolgreicher Programmierer und stolzer Familienvater. Aber gerade als er rein äußerlich an seinem Ziel, ein ganz normales italienisches Leben zu führen, angekommen scheint, dreht sich für ihn doch noch mal etwas um. Vater Norbu auf der anderen Seite eröffnet in der Toskana einen prächtigen Tempel, muss aber den Rückschlag einer schweren Krebserkrankung hinnehmen.

Und während Fox’ Dokumentaraufnahmen zeigen, wie Yeshi sich mehr und mehr um den Vater kümmert, der in großer Ruhe mit seiner Krankheit umgeht, kommt sie einer stattfindenden Wandlung auf die Spur. Das eigentliche Wunder aber findet beim Zuschauer statt: Man muss weder Buddhist sein noch sich für Tibet interessieren, um dieser echten Vater-Sohn-Geschichte gebannt zu folgen.

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