Kritik zu Für immer

© Weltkino

2023
Original-Titel: 
Für immer
Filmstart in Deutschland: 
09.11.2023
L: 
87 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Grimme-Preisträgerin Pia Lenz porträtiert ein älteres Ehepaar und ihre ­lebenslange Liebe voller Würde, Intimität und Respekt

Bewertung: 3
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 1)

Es sind meist nicht die großen Worte, die von einer großen Liebe erzählen. Wortreiche Liebesbekundungen sind flüchtig, oft um sich selbst und das Gegenüber des Gesagten zu versichern. Gesten, Blicke, Alltäglichkeiten hingegen zeugen meist von sehr viel größerer Intimität, Vertrautheit und tiefer Verbundenheit. Die Grimme-Preisträgerin Pia Lenz spürt in ihrer bewegenden Dokumentation »Für Immer« dem Nichtgesagten in einer langen Liebe nach, fragt nie nach dem Warum, sondern zeigt ausschließlich das Wie – und präsentiert damit einen tiefen und außergewöhnlichen Einblick in eine lebenslange Beziehung.

Eva und Dieter lernen sich 1952 kennen, heiraten wenige Jahre später, bekommen drei Kinder, verlieren eines auf tragische Weise, bauen ein Haus, betrügen sich, erleiden Enttäuschungen und Verletzungen und halten doch aneinander fest. Dieter, ein Künstler und Architekt, der sich häufig in seine Arbeit verkroch, schweigsam ist wie viele Männer seiner Generation. Und Eva, eine selbstbewusste, sensible, lebenslus­tige Lehrerin, die das Theater und die Poesie liebt und von schonungsloser Offenheit ist. Seit sie 14 Jahre alt war, hat sie Tagebuch geschrieben und das fast bis zu ihrem Tod 2022 beibehalten. Es ist das unglaubliche Glück der Filmemacherin Lenz, dass Eva ihr diese Tagebücher anvertraut hat. Denn sie gewähren erst jenen ungewöhnlichen Einblick in diese Liebe.

Geschickt webt Lenz diese Tagebucheinträge immer wieder in ihre Dokumentation ein, vorgetragen von der warmen Stimme von Nina Hoss. Manchmal, wenn Eva und Dieter die Worte fehlen, die Stimmen stocken, setzt sie ein. Hinzu kommen Fotos aus dem Leben des Paares. Und doch zeigt Lenz auch das Leben im Jetzt, wie Evas Kräfte immer mehr schwinden, sie irgendwann das Bett nicht mehr verlassen kann, nur noch eine Kerze auf dem Fensterbrett brennt. Bis dahin aber begleitet Lenz Eva und Dieter über fast fünf Jahre und konzentriert sich dabei einzig auf das Haus der beiden, irgendwo am Stadtrand von Hamburg, von dichtem Wald und einem teils verwilderten Garten umgeben. Dieses Haus voller Bücher und Kunstwerke wirkt wie eine Höhle der beiden, in der sie sich nicht etwa verkriechen, sondern in der sie ihre letzten Jahre gemeinsam voller Zuneigung und Vertrauen verbringen. 

Lenz, die häufig selbst die Kamera geführt und niemals mit zusätzlichem Licht gearbeitet hat, schafft einen unglaublich intimen Raum. Sie befragt Eva und Dieter nicht, sondern lässt sie erzählen, beobachtet sie. Wenn Dieter Eva beim Strümpfeausziehen und Baden hilft, schon abends den Frühstückstisch deckt, die beiden die Lokalnachrichten schauen, an einem Silvesterabend tanzen, sich gemeinsam an ihr Leben erinnern, spürt man die Wärme, die in dem Haus, zwischen den beiden herrscht. Eine Tochter taucht einmal ganz kurz auf, keine Freunde, keine Verwandte, keine Pflegekräfte kommen zu Wort. Lenz' Fokus liegt allein auf Eva und Dieter.

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