Kritik zu Die perfekte Ehefrau

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In dieser burlesken Komödie mit Juliette Binoche als Schulleiterin in Nöten wird versucht, den Epochenbruch von '68 im Mikroklima einer provinziellen Haushaltsschule zu veranschaulichen

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Immer fröhlich und allzeit bereit sein, ein gepflegtes Äußeres (aber nicht zu viel für Kleider ausgeben!) und ein tadelloser Haushalt, das sind die Minimalanforderungen an eine gute Ehefrau. Zur Kür gehört, dass diese dazu noch in der Lage sein sollte, graziös Tee einzuschenken, für den Fall, dass der Bürgermeister zu Besuch kommt. Es macht Spaß und stimmt auch nostalgisch, wenn in dieser burlesken Komödie der Unterricht in einer traditionsreichen Haushaltsschule inmitten einer Elsässer Provinzidylle veranschaulicht wird. Die Ausstattung erinnert vom Radio über das Bügeleisen bis zu den Blümchentapeten an die Retro-Liebe eines Wes-Anderson-Films – und bei den adretten Kostümen und der Beton-Frisur von Direktorin Paulette an Margaret Thatcher.

Im Pensionat von Madame Van der Beck bekommen heiratsreife Mädchen aus »guter Familie« unter anderem beigebracht, wie man Hemden stärkt, ein Kaninchenragout kocht, ein Haushaltsbuch führt, und wie man lernt, sanft lächelnd die Macken des Ehemanns zu ignorieren. Wo manche dieser Techniken heute wie vergessene, aber ehrwürdige Künste wirken, da konzentriert sich die Inszenierung schließlich auf die sexuelle Freiheit. Und wie Madame Van der Beck selbst die von ihr aufgestellte Regel Nr. 7, die eheliche Pflichterfüllung, unter Missachtung des »Fröhlich sein!«-Imperativs absolviert, birgt bereits den Keim der Rebellion in sich.

Wir befinden uns im Jahre 1967, und schon kündigt sich eine Unruhe an, die, im Mai '68 – dem Filmende – Papa de Gaulle wegfegen wird. Die Besetzung der Hauptfiguren ist perfekt: Juliette Binoche als leicht manische Chefin, die nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes nolens volens lernt, die Finanzen selbst in die Hand zu nehmen, darf ihre komische Ader beweisen. Yolande Moreau mimt die liebesbedürftige, schlunzige Köchin. Und Noémie Lvovsky als barsche Nonne, konservativ und abergläubisch bis in die Knochen und beim Autofahren und Schießen total emanzipiert, ist umwerfend.

Im Verlauf der Handlung jedoch verliert Martin Provost, dem mit »Violette« und »Séraphine« zwei sensible Künstlerinnenporträts gelangen, total den Faden. Statt sich mehr auf die Nöte der bereits rebellischen Schülerinnen zu konzentrieren, bringt er eine alte Jugendliebe ins Spiel, die trotz betonter Drolligkeit direkt aus einem Lore-Roman geklaut scheint. So schleppt sich die anfangs amüsante Handlung in knapp zwei Stunden Filmlänge immer angestrengter hin zu einer Achtundsechziger-Epiphanie, die wie eine Notlösung wirkt. Die abrupten Tonart-Wechsel zwischen »Geisha«- und »Stepford Wives«-Camp, feministischen Anliegen, Suizidversuch und düsteren Reminiszenzen an den Krieg münden in ein »Mamma Mia«-Musicalszenario, das Fremdschäm-Gefühle erzeugt.

Dass mit Unternehmerin Paulette, die mit '68 ihre Existenzgrundlage verliert, mit ihrem neuen Märchenprinz, einem ehewütigen Bankier – und kochen kann er auch noch –, der feministische Aspekt finanzieller Unabhängigkeit von einem märchenhaft reaktionären Happyend weggefegt wird, wirkt obendrein zynisch.

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