Kritik zu Chevalier Noir

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Zwei trauernde Brüder in Teheran: Emad Aleebrahim Dehkordis Debütfilm ist auch ein Porträt der iranischen Oberschicht

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Das iranische Kino wird international mit sozial- und systemkritischen Filmen assoziiert, mit Regisseuren wie Mohammad Rasoulof und Jafar Panahi. Ersterer ist bekannt für seine filmische Austerität und kühl kalkulierte Suspense, Letzterer für semidokumentarische Werke. Neben diesen Größen scheint ein junges iranisches Kino im Entstehen, das nach neuen Sujets und Ästhetiken sucht. Letztes Jahr startete Pouya Eshtehardis Debüt »Untimely«, eine avantgardistisch angehauchte Coming-of-Age-Geschichte, in der Vergangenheit, Gegenwart und Traum kunstvoll miteinander verwoben werden. Nun erscheint mit Emad Aleebrahim Dehkordis Debüt »Chevalier Noir«, einer iranisch-französischen Koproduktion, ein weiterer Film auf neuen Pfaden. Mit naturalistischen urbanen Bildern, die an den frühen Nicolas Winding Refn denken lassen, wirft uns der 1979 in Teheran geborene Regisseur hinein in seine Heimatstadt. 

In »Chevalier Noir« entwirft er das Porträt zweier innig miteinander verbundener Brüder, die auf ihre je unterschiedliche Weise mit dem Tod der Mutter umgehen. Payar (Payar Allahyari) kümmert sich zu Hause um den kranken Vater, er konzen­triert sich auf seine Karriere als Boxer und kommt der alten Freundin Hanna (Masoumeh Beygi) näher. Sein älterer Bruder Iman (stark: Iman Sayad Borhani) hingegen stürzt sich kopfüber in die Nacht, »der King« wird er von seinem reichen Freund Rouzbeh (Mehdi Ansari) genannt, der aus Los Angeles zurück ist. Ihm und seinen Freunden verkauft der impulsive, zwischendurch immer wieder explodierende Iman das beste Koks der Stadt. Die Brüder sind wie Yin und Yang, Tag und Nacht und doch unzertrennlich.

»Chevalier Noir« erzählt von einer Gesellschaftsschicht, die bisher selten im Kino zu sehen war: von neureichen jungen Erwachsenen in Teheran. Payar, Iman und ihre Freunde haben Grundstücke und können sich ein freieres Leben zwischen den Zwängen des repressiven Systems leisten. Die subjektive Perspektive, die der in Frankreich ausgebildete, zwischen Paris und Teheran pendelnde Dehkordi für sein Debüt gewählt hat, ist um persönliche Erfahrungen angereichert.

Immer wieder leuchten die Lichter der Großstadt verheißungsvoll in der Nacht. Einmal baut Iman mit dem Motorrad nach einer in schwindelerregender Egoper­spektive gefilmten Fahrt einen Unfall; ein Vogel kracht ihm an den Helm. Der Vogel begleitet den Film als Bote des nahenden Unheils; in einer verstörenden Traumsequenz pickt er an einem blutüberströmten Iman herum.

»Chevalier Noir« ist ein Film über Trauer und Verlust. »Mama hat sich um uns gekümmert«, knallt Iman seinem Vater einmal an den Kopf. Einer seiner Freunde trauert darum, dass er in einigen Wochen sein Haus verlieren wird. Sie alle sind auf der Suche. Dehkordi folgt ihnen dabei mit wachem Blick durch eine mäandernde Handlung, die sich dann doch gen Ende eskalativ zuspitzt. Man merkt, dass in diesem Debüt auch ein Regisseur auf der Suche ist.

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