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Gerhard Midding

Sie wären ohne Zweifel ein prächtiges Paar geworden. Es wäre vielleicht nicht so lange gut gegangen, wie wir es uns für sie gewünscht hätten. Eventuell hätte es sogar nur eine Weile gedauert, aber die wäre herrlich gewesen. Ob er Angst vor ihr habe? Fragt sie ihn. Nein, erwidert er. Aber dann räumt er ein, etwas schon. Und dazu vollführt Robert Forster in »Jackie Brown« diese unglaubliche Geste, die einen kleinen Spalt zwischen Daumen und Zeigefinger offen lässt.

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Die letzte Einstellung von »Memories of Murder« gehört zu den schönsten und wirkungsvollsten, die ich kenne. Dabei ist sie ganz schlicht: die Großaufnahme eines Gesichts. Aber sie öffnet den Film zum Publikum hin – und in eine unwägbare Zukunft.

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Fast mochte ich die Augenblicke lieber, die nach seiner Arbeit kamen: die Momente, in denen die Ouvertüre ausklingt und das eigentliche Schauspiel beginnt, wo man aufwacht aus einen köstlichen Traum und sogleich eintaucht in einen zweiten, erst recht köstlichen.

Gerhard Midding

Die Pressekonferenz, auf der Yves Saint Laurent 2002 seinen Rückzug aus dem Modegeschäft verkündete, war ein wahrhaft trauriges Ereignis. Für die Anwesenden im Saal wird es schwer zu ertragen gewesen sein, aber auch vor dem Fernseher war es erschütternd genug.

Gerhard Midding

In einer Mail, mit der er auf den gestrigen Eintrag reagierte, staunt Michael Klier über „Maßlosigkeit & Erfindungswahnsinn“ von Abel Gance. Er betrachtet „La Roue“ als das Gegenteil eines „eingesperrten“ Films. Vielen Dank für dieses denkwürdige Adjektiv; auch bei „Idioten der Familie“ geht es ja darum, Grenzen zu überschreiten.

Gerhard Midding

Bist du nicht fröhlich? fragt Sisif seine Ziehtochter Norma am Ende, als sie sich endlich versöhnt haben und von ihrem ihrem Fenster aus einem Tanz, den die Bergler am Montblanc feiern. Nein, erwidert sie, ich bin glücklich, das ist etwas anderes, ein zarteres und traurigeres Gefühl. Welch schöner Ausklang für einen Film, der sich so sehr in Nuancen artikuliert.

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Sie hat sie fast alle gekriegt, meist vor die Kamera oder, wenn sie schon tot waren, befragte sie Zeitzeugen und Weggefährten. Der Anfang des Satzes mag salopp klingen, aber er meint eine enorme Leistung, die einhergeht mit einem enormen Bedauern. Denn so viele Filmemacherinnen gab es noch nicht, als Katja Raganelli in den 1970er Jahren anfing, sie ausdauernd und systematisch zu porträtieren. Einige waren bereits vergessen, andere wurden schlicht ignoriert.

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Wann beginnt eine Filmemacherin, es zu sein? Natürlich gibt es einen offiziellen Anfang, das erste verfilmte Drehbuch oder das erste Mal, dass sie hinter/neben/vor einer Kamera steht. Der gefühlte Anfang ist schwerer zu bestimmen. Er fällt in eine Zeit der Latenz, der schwebenden Bereitschaft, des Mit-, Nach- und Vorausdenkens. Je nach Temperament und Wesen wird er näher am Ausbruch der Sehnsucht oder am Termin ihrer Erfüllung liegen.

Gerhard Midding

Ich habe meine Zweifel, ob sein Romantizismus den Studios immer ganz geheuer war. Obwohl seine Liebesszenen in aller Regel keusch sind, eignet ihnen eine Intimität, die zu radikal ist, um ganz gedeckt zu sein durch die Konventionen des Melodrams. Ihre Sinnlichkeit schürft tiefer. Die Liebesergriffenheit ist weltstürzend bei Frank Borzage, sie bricht brüsk herein. Kaum je hat sie Zeit zu reifen; Vergangenheit und Zukunft müssen im Jetzt verschmelzen.

Gerhard Midding

Dem späteren Regisseur Jean Negulesco, der bei »A Farewell to Arms« für die Storyboards zuständig war und den zweiten Stab befehligte, verdanken wir eine der schönsten Anekdoten über Frank Borzage: Während im Hintergrund Hunderte von Statisten auf ihre Regieanweisungen warteten, interessierte der sich nur dafür, wie ein Regentropfen von einem Blatt auf Gary Cooper hinunterfiel. Dem Rückzug aus Caporetto, einer der eindrücklichsten Episoden in Ernest Hemingways Roman, verleiht Borzage in seiner Verfilmung nur sachten epischen Atem.