Das Filmfestival von Cannes setzt auf Altbewährtes

»Killers of the Flower Moon« (2023). © Apple TV+

Über kein Thema war im Umfeld des Filmfestivals von Cannes in den vergangenen Jahren so häufig gestritten worden wie über die Konkurrenz zwischen Kino und Streaming. Nun aber wurde die Debatte von der neuen Präsidentin des Festivals, der deutschen Medienmanagerin Iris Knobloch gegenüber dem Branchenmagazin »Variety« für beendet erklärt.

Zwar gibt es noch immer keine Netflix-Produktionen in Cannes zu sehen – Netflix verweigert die Teilnahme, solange die Filme nicht im Wettbewerb laufen dürfen. Aber mit Martin Scorseses Film »Killers of the Flower Moon« feiert zum ersten Mal eine Originalproduktion von Apple TV+ eine große Premiere in Cannes – wenn auch außerhalb der Konkurrenz um die Goldene Palme. Der Kinostart des dreieinhalbstündigen Films ist bereits für Oktober angekündigt.

Ob das Kino die »Streaming Wars« gewonnen hat, muss das Festival in Cannes jedes Jahr aufs Neue beantworten. Im vergangenen Jahr rettete Tom Cruise mit »Topgun: Maverick« eigenhändig das Kino. Dabei scheint in diesem Jahr alles wie immer, in mancherlei Hinsicht vielleicht zu sehr: In »Indiana Jones: The Dial of Destiny«, ebenfalls einer der großen Cannes-Premieren außer Konkurrenz, kehrt ein inzwischen 80-jähriger Harrison Ford zum fünften Mal zu seiner ikonografischen Rolle von 1981 zurück.

Und auch im Rennen um die Goldene Palme dominieren einmal mehr die Regie-Veteranen: der 86-jährige Ken Loach, der zum raren Club der zehn Männer gehört, die bereits zwei Mal die Goldene Palme gewonnen haben, tritt mit seinem neuen Film »The Wild Oak« an. Die übrigen Stammgäste des Festivals verraten eine beständige Vorliebe für die Boomer-Generation. Da wären etwa der Italiener Nanni Moretti (69) mit »l sol dell'avvenire« oder der Finne Aki Kaurismäki (66), der mit »Fallen Leaves« nach über zehn Jahren an die Croisette zurückkehrt.

Der 77-jährige Wim Wenders – neben Volker Schlöndorff der einzige deutsche Regisseur auf dem Festival – ist sogar mit zwei Filmen im offiziellen Programm vertreten. Neben dem Wettbewerbsbeitrag »Perfect Days« läuft mit feierlicher Premiere im Palais Lumière seine 3D-Dokumentation über den Maler Anselm Kiefer »Anselm«.

Neues Terrain beschreitet Cannes in diesem Jahr immerhin mit Bezug auf das Geschlechterverhältnis: Mit sieben – von insgesamt 21 – Beiträgen von Regisseurinnen im Wettbewerb ist ein Rekord erreicht. Bei den Auserwählten dominieren zwar auch hier die Cannes-Veteraninnen, darunter Alice Rohrwacher, Catherine Corsini, Jessica Hausner und Catherine Breillat. Aber mit der Französin Justine Triet, Ramata-Toulaye Sy aus dem Senegal und Kaouther Ben Hania aus Tunesien vertreten nun ausgerechnet Frauen eine jüngere Generation des Filmemachens und marginalisierte Länder und Kinematografien.

Dieses Jahr sorgten ausgerechnet zwei Regisseurinnen vor dem Festival für Schlagzeilen: Catherine Corsinis Wettbewerbs-Nominierung wurde zunächst zurückgehalten, weil der Verdacht auf Übergriffs-Vorfälle an ihrem Set geklärt werden musste. Schauspielerin Maiwenn, die als Regisseurin den Festivaleröffnungsfilm »Jeanne du Barry« präsentiert, sorgte wohlgemerkt nicht etwa durch die Besetzung des skandalumwehten Johnny Depp in der Rolle von Ludwig XV. für Empörung, sondern weil sie selbst im Kontext hitziger #MeToo-Debatten, in die ihr Exmann Luc Besson verwickelt war, einen seiner Kritiker in einem Restaurant angespuckt haben soll.

Derweil muss sich noch zeigen, inwieweit der andauernde Drehbuch-Autoren-Streik in Hollywood an der Croisette eine Rolle spielen wird. Hiervon wird besonders der Filmmarkt betroffen sein, der größte seiner Art in Europa, wo die Filmprojekte der nahen und ferneren Zukunft verhandelt und verkauft werden. Die Auseinandersetzungen rund um die Rentenreform in Frankreich dagegen werden sich bemerkbar machen, auch wenn die Stadt Cannes Protestaktionen im weiteren Umfeld des Festivalpalasts und der Kinos verboten hat. Die Gewerkschaft CGT hat für den 21. Mai bereits eine große Demonstration angekündigt, die man zumindest als Verkehrschaos bis an die Croisette hin spüren wird.

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