Sky: »The Regime«

»The Regime« (Serie, 2024). © HBO

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Der Duft von Kartoffeln

Wer gerne von einer Serie erst einmal hinters Licht geführt wird, um später umso mehr verblüfft zu werden, ist bei »The Regime« genau richtig. Von den Executive Producern von »Succession«, so wird die Serie beispielsweise beworben, und gelogen ist das natürlich nicht. Schöpfer und Showrunner Will Tracy gehörte damals eine Weile lang zum Writers' Room, Frank Rich zu den Produzenten. Doch letztlich hat »The Regime« nun mit der Geschichte über den Roy-Clan außer dem HBO-Sendeplatz am Sonntagabend wirklich nichts gemein.

Auch wer an »Veep« (wo Rich ebenfalls mit an Bord war) denkt, weil es nun um eine überforderte Regentin geht und vorab von einer politischen Satire die Rede war, liegt nicht ganz richtig. Stattdessen überrascht »The Regime«, anfangs inszeniert von Stephen Frears (und dann von Jessica Hobbs), erst einmal damit, dass das Publikum ohne große Einführung von null auf hundert in die Handlung geschmissen wird und sich erst orientieren muss, um ein Gespür dafür zu bekommen, wohin – inhaltlich wie im Tonfall – die Reise gehen wird.

Gleich zu Beginn also wird in einem fiktiven Land irgendwo im östlichen Europa Corporal Herbert Zubak (Matthias Schoenaerts) nicht ganz freiwillig in den Palast gebracht, in dem Kanzlerin Elena Vernham (Kate Winlset) seit sieben Jahren recht autokratisch das Sagen hat. Doch dieser »militärische Niemand« soll nicht etwa dafür bestraft werden, dass er bei der Niederschlagung eines Aufstands in einer Kobaltmine allzu leichtfertig in die Menge schoss. Sondern er soll die Regentin in ihrem weitläufigen Schloss vor dem beschützen, wovor sie am meisten Angst hat. Genauer gesagt: schlechte Luft und Schimmelsporen.

Zubaks Einfluss wächst schnell, sehr zum Missfallen der eigentlichen Berater*innen, zu denen neben der Palast-Managerin Agnes (Andrea Riseborough) allerlei Stiefellecker*innen und in gewisser Weise auch Vernhams im Glassarg langsam vor sich hin rottender Vater gehören. Plötzlich jedenfalls besinnt sich die Kanzlerin zusehends auf nationale Bräuche und Mythen (und die heilende Kraft von dampfenden Kartoffeln sowie schwarzem Rettich), legt sich mit dem einstigen Verbündeten USA an und erwägt schließlich sogar, eigenmächtig eine »Wiedervereinigung« mit dem Nachbarland durchzusetzen.

Permanent schlingert »The Regime« zwischen fieser Komödie und abgründigem Politdrama, was natürlich Absicht, aber nichts für ein Publikum ist, das es gerne eindeutig mag. Manchmal (womöglich nicht oft genug) ist die Serie, deren sechs Episoden sich durch ein Jahr von Vernhams Herrschaft ziehen, brüllend komisch, nicht selten ist sie vor allem absurd. Als Kommentar auf gesellschaftliche und vor allem weltpolitische Entwicklungen lässt sich der Plot dabei natürlich auch immer wieder lesen, stets gerade offensichtlich genug, um nicht plump, sondern bitter und entlarvend zu sein.

Womöglich ist das alles ein bisschen zu schräg und eigenwillig, um zu »must-watch TV« à la »Succession« zu werden. Aber das Potenzial zum lange nachwirkenden Slowburner (und zum Mehrmals-Gucken) hat »The Regime« unbedingt. Denn vom Score von Alexandre Desplat über die unzähligen originellen visuellen Einfälle bis hin zu sparsam eingesetzten, aber umso effektiveren Gastauftritten von Hugh Grant oder Martha Plimpton fahren Tracy, Frears und Co. hier viel Erstklassiges auf. Allen voran eine wunderbar komische Flut sehr britisch anmutender Fluch- und Schimpftiraden, deren Wortwitz kaum zu übertreffen ist.

Und dann ist da natürlich noch Kate Winslet, deren Performance zu einem spektakulären Drahtseilakt wird. Ihre (Möchtegern-)Diktatorin ist gleichzeitig eine herzlose Wahnsinnige mit Machthunger und eine verunsichert-naive Hypochonderin, in jeder Szene aufs Neue überraschend und mit einer eigens für die Rolle erdachten gedehnten Sprechweise, die der Figur einen zusätzlich irren Touch gibt. Allein dafür lohnt sich das Einschalten!

OV-Trailer

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