arte-Mediathek: »Machine – Die Kämpferin«

»Machine – Die Kämpferin« (Miniserie, 2023). © Fabien Campoverde

© Fabien Campoverde

Marx, Bruce Lee und Coca-Cola

»Ich habe einen gelben, wieso?«, fragt die Neue in der Maschinenfabrik. Sie meint ihren Overall. Alle anderen, durchweg Männer, tragen Blau. Umkleideräume für Frauen gibt es nicht. Leila aus der Buchhaltung bietet Corinne an, sich in ihrem Büro umzuziehen. Wenn ihr gelber Arbeitsanzug mit den schwarzen Streifen auf den Ärmeln jemanden an Bruce Lees ikonisches Kostüm in »The Game of Death« erinnern sollte, von Tarantino bereits in »Kill Bill« zitiert, dann ist das keineswegs abwegig.

In der Nacht zuvor hatte Corinne mit einer Kneipenbekanntschaft eine Nacht verbracht. Für sie nur ein Zwischenspiel. Nicht für ihn. Er lauert ihr auf, wird gewalttätig. Sehr unklug. Er endet mit verbeulter Visage und traktierten Testikeln auf dem Trottoir.

Corinne trägt Rastalocken, großflächige Tätowierungen und einen Ausdruck ständigen Ennuis im Gesicht. Sie hat eine soldatische Vergangenheit, wird vom Militär, insbesondere von einem gewissen Benoît gejagt und wollte bei ihrer Oma unterschlüpfen. Doch die ist verstorben.

Mit gefälschtem Lebenslauf geht sie arbeiten, in einem ehemaligen Familienunternehmen, das vom koreanischen Kwandai-Konzern aufgekauft wurde. Der will Teile der Produktion nach Polen verlagern. Dagegen regt sich Widerstand. Allerdings ist die Belegschaft gespalten. Es gibt den Marxisten JP, der die Übernahme der Fabrik anstrebt, und die pragmatischen Gewerkschafter unter Führung der ruppigen Michelle. Im Hintergrund zieht die Politik ihre Fäden, die die französisch-koreanischen Beziehungen nicht gefährdet sehen möchte.

Thomas Bidegain und Fred Grivois haben die Serie »Machine« erdacht, gemeinsam mit Valentine Monteil geschrieben, Grivois führte Regie. Allerdings nicht allein. Die Martial-Arts-Szenen, die die Serie wesentlich ausmachen, inszenierte Emmanuel Lanzi, choreographiert wurden sie von Anthony Pho, der schon mit Luc Besson arbeitete und im »John Wick«-Zyklus zum Einsatz kam. Pascal Mercuri betreute die Seiltechnik, die den Schauspielern große Sprünge erlaubt.

Jeder Episode wurde ein Zitat Emmanuel Macrons vorangestellt: »Mein Rat an die Jugend: Lest Karl Marx.« Der väterliche JP, gespielt von Charakterkopf JoeyStarr, macht es vor, nimmt Corinne unter seine Fittiche und führt sie in »Das Kapital« ein.

Eine irre Mischung: Godards »Tout va bien« ohne Pessimismus, dafür mit einem Arbeitskampf à la Hongkong-Kino. Die Regierung, die Armee, der koreanische Konzernchef schicken Schläger aus. Die haben Glück, wenn sie mit einer blutigen Nase davonkommen.

Kühn überkonnotierte Symbole treffen auf realitätsnahe Schilderungen der Arbeitswelt. Die gesellschaftliche Analyse ist nicht völlig verkehrt, die Lösung der Probleme pures Wunschdenken. Eigentlich hässlich, wenn man sich daran ergötzt, dass Menschen blutig geschlagen werden. Doch wenn derart niederträchtige Strolche und damit »das System« eine Lektion erhalten, ertappt man sich dabei, Befriedigung zu empfinden. Die Serie wird zu einem sündigen Vergnügen, zum »guilty pleasure«.

OV-Trailer

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