DVD-Tipp: »Pest in Florenz« (1919)

»Pest in Florenz« (1919). © Verleih

»Pest in Florenz« (1919). © Verleih

Lebenslust und Lasterhaftigkeit

»Sieben Kapitel der italienischen Renaissance nacherzählt von Fritz Lang« prankt wie ein Werbeslogan auf dem Filmplakat zum Monumentalfilm »Pest in Florenz«. Das ausladende filmische Sittengemälde beginnt als eine Metapher über die Macht einer Clique alter Greise, die der jüngeren Generation alles verbietet, was mit Lust und Lebensfreude einhergeht. 

Unendlich lange, religiöse Prozessionen wie zu Fronleichnam beherrschen das Stadtbild. Frömmelnde Kirchenvertreter wie Cesare beherrschen Florenz. Zum Auslöser revolutionärer Umwandlungen wird die Ankunft der Kurtisane Julia aus Venedig, die von Marga Kierska sinnlich und verführerisch verkörpert wird. Nachdem Julia verhaftet und gefoltert wird, kommt es zu einer spontanen Revolution. Das führt zu Zuständen wie bei »Sodom und Gomorrha« lästern nicht nur Kirchenvertreter, auch das arg moralisierende Drehbuch von Fritz Lang, zielt in diese Richtung: Es handelt sich um eine wirre Groschenromanstory, die viel über die Zeit aussagt, in der sie entstand. Eine verführerische Femme fatale, ihr hörige Männer und die »Sittenverderbtheit« führen zur Strafe der Götter durch die tödliche Pest. Historisch stimmt kaum etwas. Empörungsrituale und drakonische Strafen kon­trastieren mit der Zurschaustellung von Lust und Völlerei. 

So ist »Pest in Florenz« ein mit viel Aufwand gedrehter, eskapistischer Monumentalfilm, der ein Jahr nach Kriegsende und den Schrecken der Spanischen Grippe eine Sehnsucht nach Lebenslust bedient.  Regisseur Otto Rippert geriet in Vergessenheit, Fritz Lang sollte nicht mehr viele Drehbücher für andere Filmemacher schreiben. Der Film wirkt heute wie ein Kuriosum, ist unterhaltsam und nach einer TV-Premiere der restaurierten, digitalen Fassung 2015 bei arte nun mit Verspätung auf Blu-ray erschienen. Gewöhnungsbedürftig ist die 2014 entstandene, elektronische  Musik von Uwe Dierksen, die zu laut und zu illustrativ eher heutige Hörgewohnheiten bedient. Ein informatives, schön illustriertes Booklet ragt beim Bonusmaterial heraus.


 

Pest in Florenz D 1919. R: Otto Rippert. Da: Marga Kierska, Otto Manstädt, Anders Wikman, Karl Bernhard. Anbieter: Ostalgica.
VÖ: 5. Mai 2023

Bestellmöglichkeit (Blu-ray)

 


 

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