Buch-Tipp: Kristina Höch – Gustaf Gründgens

Spannend, nicht spekulativ

Gemessen an den durchaus zahlreichen Veröffentlichungen über Gustaf Gründgens in den letzten Jahren ist der Ruhm des Schauspielers, Regisseurs und Intendanten doch mittlerweile verblasst. Nur noch die heute über 50-Jährigen dürften den seinerzeit kanonisierten Faust-Film von Gründgens' Partner Peter Gorski im Schulunterricht gesehen haben. Die Faszination geht in erster Linie von Gründgens’ ambivalenter Rolle im »Dritten Reich« aus, vom darauf bezugnehmenden Schlüsselroman »Mephisto« von Klaus Mann und der Verfilmung dieses Romans mit Klaus Maria Brandauer.

Kristina Höchs werkanalytische Betrachtung des Filmschaffens von Gründgens vermeidet im Gegensatz zum Mephisto-Film alles Spekulative und rückt selbst Äußerungen notorischer Plaudertaschen wie Curt Riess und Erich Ebermayer mittels des aktuellen Forschungsstandes zurecht. Das Erstaunlichste ist jedoch: Das Buch ist wirklich spannend, obwohl von Ausnahmen wie »Liebelei« von Max Ophüls, Fritz Langs »M« und dem erwähnten Faust abgesehen wenige Gründgens-Filme im kulturellen Gedächtnis präsent geblieben sind. Höch arbeitet die Veränderungen der Filmpolitik von der Weimarer Zeit zum Nationalsozialismus bis in die kleinsten Verästelungen heraus, verschweigt weder Gründgens’ negative Züge (sein Vorgehen gegen Kritiker im »Dritten Reich«) noch die positiven (der Einsatz für Verfolgte des Naziregimes) und bleibt dabei vor allem eins: sachlich. Bestens informiert ist sie zudem, ihr Stil ist klar und schlackenlos. Und so ist ihr eine der besten Veröffentlichungen zum deutschen Film der Weimarer Jahre und der Zeit des Nationalsozialismus gelungen; für die Gustaf-Gründgens-Forschung hat Höch für die nächsten Jahrzehnte Maßstäbe gesetzt.



Kristina Höch: Gustaf Gründgens. Filmische Arbeiten 1930–1960. Schüren, Marburg 2023. 366 S., 38 €.

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