Video kills the moviestar

Unsere "steile These" des Monats Oktober
»Thriller« – Michael Jackson (Regie: John Landis)

»Thriller« – Michael Jackson (Regie: John Landis)

War »Thriller« von Michael Jackson und John Landis »noch« ein Musikvideo oder »schon« ein Film? Und ist die Unterscheidung überhaupt wichtig? Anders als Landis, der vom Film auf den Clip kam, strebten Videokünstler wie Michel Gondry ins Kino. Im Fernsehen ist das Format zwar bedeutungslos geworden, im Internet hat es sich jedoch emanzipiert und trumpft visuell auf.

2013 gewann etwa das Musikvideo zum Flying-Lotus-Album »Until the Quiet Comes« den Short Film Special Jury Award beim Sundance Film Festival. Ist das Stück jetzt geadelt? Ist es Kurzfilm oder Musikvideo? Tatsächlich: egal. Es ist Kunst, und wir können es anschauen. Es muss keine Massentauglichkeits- oder Formatansprüche erfüllen und darüber die Fernsehrotation knacken, um sein Publikum zu finden. So wie das ruhig angelegte aktuelle Video »Drowning« des szeneintern bekannten Newcomers Mick Jenkins, das sich, filmisch angelehnt an »12 Years a Slave«, an der Sklaverei in Amerika abarbeitet und damit auch auf die soziale Lage der Schwarzen heute verweist. ­Sicher nichts für VH1 oder VIVA, aber wen kümmert's?

Die technische Freiheit beflügelt kreativ. Geschichten erzählen im Video? Kein Problem. Zitieren, referieren? Gern. Aus A$AP Rockys »L$D« tropft die »Enter the Void«-Ästhetik nur so heraus. Travis Scotts komplex animiertes »90210«-Video zeigt die Spielzeugfigur des Künstlers, die bereits ein Albumcover schmückte, in einer Liebesaffäre mit einer Pornodarstellerin, während eines seiner Alter Egos ihm motivierend zurappt und ein zweites à la Godzilla die Stadt zerstört. Kendrick Lamars »Alright« gibt nicht nur Themen des Songs, sondern dem ganzen Album eine visuelle Repräsentation, die in ihrer künstlerischen Gestaltung fast so frei wirkt wie der im Video durch die Luft fliegende Rapper. Und dass man die Tragweite zeitgenössischer Musikvideos ernst nehmen muss, wird spätestens dann deutlich, wenn man die visuelle Linie von Donald Glovers (aka Rapper Childish Gambino) und Hiro Murais Musikvideos bis hin zu ihrem gemeinsamen Fernsehserienprojekt »Atlanta« verfolgt. Das Musikvideo lebt. Und falls mal was nicht gefällt? Ganz einfach: [x] Tab schließen.

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