Sind wir hier im Maggi-Kochstudio?

Unsere "Steile These" des Monats Januar

Neulich wollte ich mal wieder richtig fernsehen. Richtig heißt: nicht eine DVD abspielen, sondern zappen und schauen, was das Programm gerade so bietet. Trashige Vorabend-Soaps zum Beispiel. Aber statt heißer Liebesschwüre und familiärer Dramen gibt es nur noch: Leute, die in Echtzeit Wachteln entbeinen und Lammfonds reduzieren. Die Köche haben das Fernsehen übernommen: Frank Rosin, Jamie Oliver, Sarah Wiener und Nigella Lawson senden auf allen Kanälen. Ich finde es prinzipiell richtig, dass die Menschen heute bewusster mit Lebensmitteln umgehen und sich von den Konzernen nicht mehr jeden Analogkäse in den Hals stopfen lassen. Ich esse auch gerne was Gutes. Aber muss man die Sache gleich zur Religion machen? Oder zur Kunst? Wenn eine Currywurst von Tim Mälzer schon Kultur ist – na ja, dann könnte man sich fragen, ob der Kulturbegriff überhaupt noch irgendetwas beschreibt.

Auch der Film ist längst infiziert vom Schöner-Essen-Syndrom. Die Berlinale präsentiert seit Jahren mit Aplomb die Reihe »Kulinarisches Kino«, nach den Vorführungen gibt es passende Diners; wird gerne kopiert von Kinos landauf und landab. Im Arthouse-Segment versöhnen sich die Ethnien und Klassen am Herd; da werden alle Probleme dieser Welt umstandslos zu duftenden Currys verarbeitet. Und »sinnliche« Frauen müssen in der Nachbarschaft klebriger Süßspeisen oder bis zu den Ellbogen im Mehl gezeigt werden, wie in Chocolat und Gemma Bovery.

Inzwischen denke ich, dass mir Jim Jarmuschs Only Lovers Left Alive vor allem deshalb so gut gefallen hat, weil Vampire nicht kochen müssen – die nehmen bloß einen Schluck Blut aus dem Sherryglas und verbringen die gesparte Zeit über Büchern und Platten: eine Revolte des Geistes gegen das Diktat der Biologie. Ein prima Sterneküchenhassfilm ist auch der Klassiker Who Is Killing the Great Chefs of Europe? von Ted Kotcheff. Ein übergewichtiger, rachsüchtiger Gastrokritiker richtet hier Spitzenköche nach Maßgabe ihrer berühmtesten Rezepte hin und an. Ich sage nur: Ente ausgepresst. Danach sollten zwei Wochen Diät kein Problem sein.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt