»Ready Player One«: Vorwärts, ich muss zurück

»Ready Player One« (2018). © Warner Bros. Pictures

»Ready Player One« (2018). © Warner Bros. Pictures

Der Roman »Ready Player One« von Ernest Cline war um die Jahrzehntwende ein Instant-Bestseller: eine futuristische Gamer-Geschichte, nerdig,
aber gut lesbar. Und vollgestopft mit Anspielungen auf die Popkultur der achtziger Jahre. Kein Wunder, dass Steven Spielberg sich die Rechte gesichert hat – seine Verfilmung kommt jetzt ins Kino. Georg Seeßlen hat sich in den Dschungel der Verweise begeben

Wer hätte das gedacht? Im Jahr 2044 ist die Welt vom entfesselten Kapitalismus nachhaltig ruiniert, die fossilen Energieträger sind mitsamt der Natur, die sie einst geborgen hat, futsch; eine kleine Schicht mit der Macht der Konzerne ist unermesslich reich, die Mehrzahl der Menschen hungert und lebt ohne Aussicht auf irgendeine Verbesserung ihrer Situation. Aber! Da ist eine andere, parallele, virtuelle Welt. OASIS (Ontologically Anthropo­centric Sensory Immersive Simulation) ist einerseits ein Spiel, andererseits aber auch Ersatz für alles, was einmal »Kultur« genannt wurde. Mehr noch, in dieser virtuellen Welt gibt es ein eigenes Währungs- und Wirtschaftssystem, mit dem man sich sogar in der wirklichen Welt hocharbeiten kann – so, wie man sich auch Vorteile in der wirklichen Welt für OASIS zunutze machen kann.

Literarisch-cineastische Simulationsmaschine

Überraschend an diesem dystopischen Szenario ist eigentlich nicht viel. Abgesehen davon, dass der Schöpfer von OASIS, James Halliday, ein klassischer Nerd aus dem Ghetto und auch als Leiter des Konzerns GSS (Gregarious Simulation Systems) eher soziophob, ein bedingungsloser Fan der Popkultur der 1980er Jahre ist, in denen er seine trostlose Kindheit erlebte. Halliday und seine Spielwelt wehren beständig die drohende feindliche Übernahme durch den Konkurrenzkonzern IOI (Innovative Online Industries) ab. Der böse alte Kapitalismus mit seiner imperialen Struktur gegen den guten neuen fluiden Turnschuh- und Nerdkapitalismus mit einem sozialen Programm, das so gut verborgen ist wie das Easter Egg in der Spielwelt, um das es im Großen und Ganzen geht. Mit der Nachricht vom Tod Hallidays beginnt »Ready Player One«. Das ist Young-Adult-Science-Fiction – und ­ziemlich offenkundig auf eine Verfilmung hin geschrieben. Willy Wonka aus »Charlie und die Schokoladenfabrik« trifft die »Matrix«, so beschreibt es »USA Today«.

Auftritt des Helden und Ich-Erzählers Wade Watts, einem 18-jährigen Jungen aus den Stacks, den Trailerparks des ­Jahres 2044, wo er nach dem Tod der Mutter bei seiner fiesen Tante in einer überfüllten mobilen Wohnzelle ­Unterschlupf gefunden hat. Wade, schwer gehemmter ­Einzelgänger im Ghetto, drangsaliert von allen Seiten, wäre verloren, hätte er seinen Zugang zur Endlossimulationswelt nicht. Nun ist Halliday also gestorben und hat sein ­Milliardenvermögen demjenigen vermacht, dem es gelingt, das Easter Egg in OASIS zu finden. So beginnt eine Schatzsuche, bei der es nicht zuletzt auf die Kenntnis der Popkultur der achtziger Jahre ankommt. Nehmen wir noch zur Kenntnis, dass der Avatar von Wade den Namen Parzival hat, während das Mädchen, das als seine Konkurrentin beginnt und als große Liebe endet, sich Art3mis nennt. Die beiden vertreten unterschiedliche Konzepte der Rettung; während Parzival mit den gewonnenen Milliarden ein ­Arche-Noah-Raumschiff ausrüsten und das Heil im All suchen will, denkt Art3mis daran, das Geld in den Heimatplaneten zu investieren, also die bestehende Welt zu retten. Niemand, weder der Autor noch wir Leser, unterzieht sich der Mühe eines Gedankens daran, wie man so was macht.

Ansonsten tritt an die Stelle der Auserwählung der Punktestand im Videospiel, das Zögern des Helden wird durch einen Anschlag im richtigen Leben dargestellt, der treue, flapsige Wade entpuppt sich als – ach nein, das wäre jetzt gespoilert, und Spoilern ist im Jahr 2018 so verboten wie in den achtziger Jahren das Gitarrensolo. Fast alle Stationen der Heldenreise nach Joseph Campbells »The Hero with a Thousand Faces« werden abgearbeitet: die endgültige Segnung, die magische Flucht, die Verweigerung der Rückkehr, die Rettung von außen, der Herr der zwei Welten und schließlich die Freiheit zum Leben. Nur ist das Magische hier stets digital produziert und reproduziert. Man könnte vermuten, den Roman »Ready Player One« habe nicht ein menschlicher Autor, sondern eine mehr oder weniger perfekte literarisch-cineastische Simulationsmaschine geschrieben, die mit dem Strukturprinzip der Heldenreise und dem Wissen um die Mainstream-Popkultur der achtziger Jahre gefüttert wurde – mit dem Ziel, das eine so einfach wie möglich mit dem anderen zu verbinden. Eigentlich kann dabei gar nichts schiefgehen, außer eben, ein Meta-Nerd käme auf die Idee, in dieser maschinellen Produktion die historischen und menschlichen Spuren zu verfolgen oder ausgerechnet hier, in einer Befreiungsfantasie, das eigentliche, untergründige Arbeiten von Ideologie zu entdecken.

Angewandter Spielbergianismus

Steven Spielberg verfilmt mit »Ready Player One« den Roman eines Menschen, der offenbar mit Spielberg und »spielbergianischen« Filmen groß geworden ist. Spielberg scheint ja seit geraumer Zeit in einer Art Dreischritt zu funktionieren: ein großer Erwachsenenfilm (wie gerade »Die Verlegerin«) mit einem eindrücklich demokratischen Anliegen und ein trickreicher Kinderfilm (»Big Friendly ­Giant«) mit sanft pädagogischer Intention im Wechsel mit Fortsetzungen eigener Produktlinien wie »Indiana Jones«. Für den angewandten Spielbergianismus im amerikanischen Kino sorgt nicht nur der Erfolg der meisten Arbeiten des Regisseurs und Produzenten, sondern auch eine Art informelle Spielberg-Society, zu der Regisseure wie George Lucas, Robert Zemeckis, Chris Columbus, Peter Jackson und Barry Levinson gehören, außerdem Schauspieler wie Tom Hanks und Komponisten wie John Williams.

Es liegt auf der Hand, dass der cineastische Kern des Spielbergianismus seit den achtziger Jahren in die multimediale Erweiterung floss und hier selbst so etwas wie eine OASIS-Matrix bildete: der Mythos, der aus den Kinderzimmern der weißen Vorstädte kam, durchzogen von liberalen Hoffnungen und Mahnungen, durchzuckt von kritisch-melancholischen Blitzen. Pop nicht mehr als äußeres Angebot, sondern als Lebenswelt. Spielbergianismus, dafür kann man ihn nicht genug preisen, gibt dem Pop eine humanistische Seele; Spielbergianismus, dazu muss man wachsam kritisch bleiben, füllt die Seelen mit popindustriellem Fast Food. Mit einer merkwürdigen Konsequenz, an die wir in einer Schlüsselszene des Romans gelangen. Da nämlich fragt sich der Held, »warum Halliday, der seine Kindheit immer als schrecklich bezeichnet hatte, später eine solche Sehnsucht nach ihr entwickelt hatte«. Es ist der Widerspruch im Spielbergianismus: Gerade weil die Kindheit so schrecklich ist, kommt man nicht von ihr los, und die Sehnsucht nach den medialen Träumen und Parallelwelten von Comics, Filmen, Spielen und TV-Serien überlagert die reale Erinnerung. Folgerichtig brachte die Kindheit in den achtziger Jahren den Nerd als Phänotyp des technisch-medial und nicht familiär-praktisch sozialisierten Menschen hervor. In seiner freundlichen Offenheit erklärt denn auch Steven Spielberg selbst, was ihn am Projekt »Ready Player One« angezogen hat: Die »Kombination aus Elementen der dystopischen Welt, die vor uns liegt, und dem Verlangen nach Nostalgie« ermöglichte ihm, »zugleich einen Blick nach vorn und einen Blick zurück« zu kon­struieren, was ihn zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Autor Ernest Cline ermutigte. Ob er ahnte, dass er dabei in eine Spannung zwischen Selbstporträt und Selbstdekonstruktion geraten musste?

Teenage Hell

Das Jahrzehnt des Teenagers, der gespalten war zwischen der Hölle seines Alltags in Schule und Familie (alle Helden sind Außenseiter an ihren Schulen) und den künstlichen Paradiesen der Medien ­jedenfalls ist das ideale Setting für ein Leben in Parallelwelten, sei es die »Arcade«, in der damals die meisten Computerspiele angeboten wurden, seien es die Xanadus, die auf das »Saturday Night Fever« folgten. Die Ablösung ist für den Teenager der Achtziger nicht mehr das Problem, er kommt schon halb abgelöst zur Welt, geboren und mehr oder weniger erzogen von Eltern, die sich vor allem um sich selbst und um ihre eigenen Identifikationen kümmern.

Es ist also die Geburtsstunde des Nerds, der sexuell so gehemmt ist, wie seine Hippie-Eltern von Freizügigkeit träumten. Der Nerd, der in einer Welt der Computerspiele, der Fantasyromane, Comics, Filme und Fernsehserien lebt, in seiner Adaption neuer Ausdrucksweisen aber auch avantgardistisch wirken kann. Interessanterweise ersetzt Spielberg in seinem Film die im Roman entscheidende Figur »Ultraman« aus dem japanischen Anime durch den »Gigant aus dem All«, eine spätere Amerikanisierung. In der Verfilmung weitet sich der Spielbergianismus, der im Roman eine wichtige, aber nicht die einzige Rolle bei der Konstituierung von OASIS spielt, noch einmal aus. Gleichzeitig aber verwischt der Regisseur auch wieder einige der wichtigsten Spuren, die zu seinem eigenen Werk führen. Die nerdigste aller Konklusionen: Steven Spielberg ist James Halliday.

Alles Große ist schon ­gelaufen

Ansonsten funktioniert »Ready Player One« vor allem wie ein Trivial-Pursuit-Spiel zur Popkultur der achtziger Jahre, die eben nicht allein deswegen zu einer solchen Referenzgröße werden konnten, weil sie in die Kindheit der alten Männer des ­Jahres 2044 schienen, auch nicht nur weil damals die Grundlagen der Digitalisierung der Welt gelegt wurden, sondern vor allem, weil sie den retroerwachsenen Teenager hervorbrachten, der wie Michael J. Fox in den »Zurück in die Zukunft«-Filmen reifer und klüger handeln muss als seine Eltern.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Serie »Family Ties« (Familienbande), die von 1982 bis 1989 lief und Michael J. Fox bekannt machte. Im Mittelpunkt steht die Familie Keaton aus Columbus/Ohio. Da sind einerseits die Eltern Steven und Elyse Keaton, die sich Mitte der Sechziger auf einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg ­kennenlernten und immer noch im Geist der Hippiekultur leben. Elyse arbeitet als Architektin, Steven als Journalist bei einem lokalen Fernsehsender, und beides soll der Fortsetzung der alten Ideale ­dienen, der Verbreitung der Bürgerrechte, dem Umweltschutz, der sozialen Solidarität. Die Kinder aber haben sich ganz anders ent­wickelt, aus einer leichten Wohlstandsverwahrlosung im Elternhaus wurden sie zu Adepten des Reaganismus. Sohn Alex bewundert ­Nixon und Reagan und findet die liberale Weltanschauung der Eltern zum Kotzen. Tochter Mallory steht ohnehin mit jeder intellektuellen Anstrengung auf Kriegsfuß und interessiert sich ausschließlich für Mode, Kosmetik und erotisch-soziale Beziehungen. Was für eine Rolle bleibt da der jüngsten Tochter als die der zynischen, altklugen Beobachterin?

Genauer als anhand dieser sehr populären Serie kann man den dialektischen Umschlag in den achtziger Jahren nicht beschreiben: Die Kids müssen sich entscheiden, ob sie das Scheitern der Kulturrevolution der sechziger und siebziger Jahre zu einem No Future verinnerlichen (von Punk zu Grunge), sich in einen ironisch-affirmativen Dialog mit dem neuen Geist einlassen (die Kinder von Atari und Disco) oder zum Teil der reaktionären Gegenbewegung werden.

Die Jugendkultur der achtziger Jahre bildet sich auf der Basis des Empfindens, dass alles Große schon gelaufen ist. Aber gerade deswegen verliert sie auch ihren Charakter als reiner Transitraum. Diese Jugend ist so prallvoll mit medialem Stoff, dass Fernsehserien oder Computergames – wir reden hier von Frühformen wie »Pac-Man« und »Donkey Kong« – zu einem selbstreflexiven System der Erkenntnis geworden sind. Bei Stephen King wie bei Spielberg und seinen Freunden ist die Medialisierung der Jugend längst auch schon wieder selbst Thema, so wie sich umgekehrt in dem im Roman ebenfalls prominent erwähnten Film »Explorers« Aliens der Erde mit einem ausschließlich popkulturellen Wissen nähern.

Dancing with Myself

In seiner Essaysammlung »Gespenster meines Lebens: Depression, Hauntology und die verlorene Zukunft« stellt Mark Fisher die deprimierende Diagnose einer vollkommen innovationslosen, in Endlosschleifen befangenen Kultur, in der nur die Gespenster der Vergangenheit noch wirken – daher Hauntologie: Heimsuchungs­lehre – und in der Zukunft nicht mehr bedeuten kann, als dass ein neues Smartphone-Modell vorgestellt wird. Lose bezieht er sich dabei auf die Hauntologie von Jacques Derrida, die beschreibt, wie die Ideen von einst, nicht tot und nicht lebendig, eine Gegenwart bestimmen. »Ready Player One« sieht aus, als hätte jemand die Hauntologen nicht nur gehört, sondern versucht, den Prozess der Geisterbeschwörung zu beschleunigen. Die popkulturellen Gespenster der achtziger Jahre als Waffe gegen den neoliberalen Overkill einzusetzen, darauf muss erst einmal jemand kommen. Aber vielleicht steckt eine solche Umkehrung ja schon in den Pop-Artefakten der Achtziger selbst, die der verrückte, mit 67 gestorbene Halliday als seine Jugend erlebte.

Es beginnt mit dem sogenannten Zapruder-Film, der Amateur­aufnahme Abraham Zapruders vom Attentat auf John F. Kennedy am 22. November 1963. Der Film erlangte Berühmtheit als Beweismittel bei den Ermittlungen wie als Zentrum diverser Verschwörungstheorien, einschließlich der, die Aufnahme selbst sei eine Fälschung; 1994 wurde er als kulturgeschichtliches Dokument in das National Film Registry der USA aufgenommen; 1998 nahm die US-Regierung den Originalfilm förmlich in Besitz, wobei der Familie Zapruder 16 Millionen Dollar erstattet wurden. Cline vergleicht in »Ready Player One« den Film, mit dem Halliday sich an die Nachwelt wendet, mit dem Zapruder-Film, der ähnlich genau analysiert worden sei. Der Halliday-Film beginnt mit »einem alten Song«: »Dead Man's Party«. Er stammt von der Band Oingo Boingo und war bereits in etlichen Filmen und Serien aufgetaucht, von der Band selbst in »Back to School« (Mach's nochmal, Dad) von 1986 gespielt, oder später in der Serie »The Boss of Me« (Malcom mittendrin). Der Songschreiber war Danny Elfman, der nach dem Ende von Oingo Boingo ein ziemlich erfolgreicher Komponist von Filmmusiken wurde. Eine Referenz des gleichnamigen Albums ist der mexikanische Día de Muertos, der Tag eines fröhlichen Festes der Lebenden und der Toten.

Was ist Objekt? Und was »Schlüssel«?

Und so geht das weiter. Da ist etwa die Max-Headroom-Figur, ein vorgeblich computergenerierter Fernsehmoderator, der das rare Beispiel für eine analoge Simulation der digitalen Simulation bildet – es handelte sich tatsächlich um den Schauspieler Matt Frewer in einer Gummimaske. Hallidays Testamentvideo spielt unter anderem in einer Teenager-Ball-Situation, die eine Collage von Statisten aus den von John Hughes geschriebenen, inszenierten oder produzierten Filmen ist. Diese Filme, darunter »The Breakfast Club«, »Pretty in Pink« und »Ferris Bueller's Day Off« (Ferris macht blau) prägten das weiße mittelständische Jugend- und Familienbild in den USA.

Halliday wird auch gezeigt, heißt es, wie er mit sich selbst tanzt: Das ist »Dancing with Myself« von Billy Idol, als er noch bei Generation X war. Erst in seiner entpunkten Soloversion wurde der Song ein Hit; das Video dazu – wir befinden uns am Beginn der MTV-Ära – stammt von jenem Tobe Hooper, der mit »Texas Chainsaw Massacre« einen der wüsten neuen Horrorfilme drehte, mit denen die jungen »fauves« das Genre in den siebziger Jahren auf den Kopf stellten. Wie im OASIS-Spiel selbst weiß man im Text nie so recht, was bloßes Objekt und was »Schlüssel« ist.

Die ziemlich große Erzählung dazu ist, dass die Nerds, die belächelt oder bemitleidet wurden, die mit den sozialen Problemen, den sexuellen Frustrationen, dem miesen Essen, der Unsportlichkeit und dem Rückzug in bizarre Wohn- und Spielhöhlen, de facto die neuen Herren der Welt wurden (weibliche Nerds gibt es, aber am entsprechenden Aufstieg haben sie wieder mal wenig Anteil). Als wäre der einzig mögliche Weg der von der Spielkonsole zum Turnschuhmilliardär und als wäre das einzige Weltbild aus der ­Comicsammlung zu gewinnen.

Ferris Bueller macht nicht blau

Die weißen Mittelstandskids der Achtziger sind sich ihrer Verlorenheit noch nicht so bewusst wie später die Protagonisten des Grunge, aber im Gegensatz zu ihren Vorläufern wissen sie, dass die einfache Dychotomie Anpassung oder Revolte nicht mehr greift. In den Scream-Filmen werden sie feststellen, dass die Erwachsenen ihnen nicht mehr helfen können, wenn der Horror über sie kommt, und in »Dungeons & Dragons« spielen sie das Verschwinden ironisch durch; Ferris Bueller machte nicht nur blau, er trieb ein höchst intelligentes Spiel mit seiner Umwelt, und die Winona Ryder aus »Heathers« schreckte vor dem Mord an ihren fiesen Mitschülerinnen nicht zurück. In den Achtzigern verlor die Jugend nicht nur ihre Unschuld, sondern auch jeden Rest Urvertrauen.

Clines Idee ist vielleicht, dass die Spaltungen seines dystopischen 2044 in den Achtzigern begannen beziehungsweise ihre ersten Symbole und Narrative erhielten. Es gibt indes fortgeschrittenere Projekte der popkulturellen Hauntologie als seinen SF-Roman, der schon auf eine Spielberg-Verfilmung geschielt zu haben scheint und dessen Geschichte zwischen Bergen untoten Wissens zum Erliegen kommt. Richard Littler zum Beispiel initiierte das Internetprojekt »Scarfolk«, das alles Erdenkliche über eine fiktive Stadt namens Scarfolk im Nordwesten Englands berichtet und ihre Kultur wiedergibt, die in einer Zeitschleife aus den siebziger Jahren steckt. Diese hauntologische Stadt ist ein Gemenge aus Popnostalgie, politischer Satire und Science-Fiction, Propaganda-Massage und Überwachungsstaat eingeschlossen. Hier kann man vielleicht wirklich über das Steckenbleiben und Im-Kreis-Drehen nachdenken; in »Ready Player One« dagegen ist die wechselseitige Umkreisung von Dystopie und Nostalgie schon wieder zur Ideologie geronnen. Die Rückkehr des Helden zu Freiheit und Glück in der wirklichen Welt – »zum ersten Mal in meinem Leben konnte mir die OASIS gestohlen bleiben« – erscheint so irreal und vage wie in der »Matrix«.

»Unter jedem Ergebnis und jedem Unterfangen der unglücklichen und lächerlichen Gegenwart kommt das Mene, Tekel, Upharsin zum Vorschein, welches den unausweichlichen Zusammensturz aller Städte der Illusion ankündigt. Die Tage dieser Gesellschaft sind gezählt; ihre Gründe und Verdienste wurden gewogen und für zu leicht befunden; ihre Bewohner haben sich in zwei Lager geteilt, von denen eines will, dass diese Gesellschaft verschwinde«. So schrieb es Guy Debord 1979 dem kommenden Jahrzehnt ins Gralstagebuch. Wade Watts alias Parzival hat vielleicht die Schlüssel zur Rückkehr in die Wirklichkeit gefunden. Seine Autoren aber konnten ihm nicht sagen, was das ist. So wird diese Gesellschaft weiter verschwinden, immer und immer wieder. Also nie.

Meinung zum Thema

Kommentare

Das habe ich mich bei diesem Film schon sehr schnell gefragt. Der Film ist leider Wasser auf den Mühlen von "Is this the End?" ... Aber in aller Kürze empfinde ich den Film als kalkuliert und auf überladene Weise fantasielos.

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