Berlinale: Viel Politik und überraschende Bären-Gewinner

Mati Diop mit Lupita Nyong'o.© Ali Ghandtschi / Berlinale 2024

Mati Diop mit Lupita Nyong'o.© Ali Ghandtschi / Berlinale 2024

Mit dem goldenen Bären für den Essayfilm zum Thema Raubkunst »Dahomey« endeten am Wochenende die 74. Filmfestspiele von Berlin – geprägt waren sie durch politische Themen und Arthouse-Kino aus unterschiedlichsten Ländern

Viel wurde vor und während der Berlinale über Politik geredet. Die Ein- und anschließende Ausladung von AfD-Mitgliedern sowie die folgenden Statements gegen Rechtsextremismus standen besonders bei der Eröffnungsfeier im Fokus. Bei der Abschlussgala blickten die scheidenden Berlinale-Leiter Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek dann zurück auf eine von Krisen und Konflikten geprägte Amtszeit und erinnerten unter anderem an den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der sich am Tag der Preisverleihung zum zweiten Mal jährte. Ein besonderer Fokus fiel auch auf den Krieg im Nahen Osten. Der Dokumentarfilm »No Other Land«, der sich mit den seit Jahren andauernden Konflikten beschäftigt, wurde mit dem Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet. Wie auch einige andere Preisträger nutzten die Filmemacher ihre Dankesrede, um sich für einen Stopp der Kampfhandlungen auszusprechen. 

Zum politischen Fokus der Berlinale passt auch der Gewinner des Goldenen Bären, der mit »Dahomey« nach Nicolas Philiberts »Sur l'Adamant« im letzten Jahr zum zweiten Mal in Folge ein Film mit dokumentarischen Formen war. Mati Diop, Französin mit senegalesischen Wurzeln, thematisiert in ihrem Film die Rückgabe geraubter Kunstschätze des einstigen Königreichs Dahomey von Paris ins heutige Benin und beschäftigt sich mit der Bedeutung, die diese Schätze für die afrikanische Kultur haben. Bei ihrer Dankesrede betonte Diop, dass solche Rückgaben Gerechtigkeit bedeuteten und rief dazu auf, die afrikanische Kultur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Hatte man »Dahomey« im Vorfeld zumindest noch Außenseiterchancen zugerechnet, waren die weiteren Bären-Gewinner eher unerwartet. Im Fall des Großen Preises der Jury für die skurrile Komödie »A Traveler's Needs« mit Isabelle Hupert äußerte selbst Regisseur Hong Sang-soo darüber Erstaunen: Er nahm den Preis mit den Worten in Empfang, dass er nicht wisse, was die Jury in seinem Film gesehen habe, er sei aber gespannt, es zu erfahren. Was die Jury in Bruno Dumonts Sci-Fi-Klamauk »The Empire«, der mit dem Silbernen Bären der Jury ausgezeichnet wurde, gesehen hat, dürfte wohl auch einige interessieren. Unter Kritikern jedenfalls war der Film eher gemischt aufgenommen worden.

Verdient, aber ebenfalls eine Überraschung war die Auszeichnung für den besten Hauptdarsteller an Marvel-Superhelden Darsteller Sebastian Stan, der in »A Different Man« einen Mann mit Gesichtsdeformation spielt, der nach einer Operation auf einmal attraktiv und erfolgreich ist. Als Favoriten für die Auszeichnung hatten auch die deutschen Schauspielerinnen Corinna Harfouch in »Sterben« von Matthias Glasner und Liv Lisa Fries in Andreas Dresens »In Liebe, Eure Hilde« gegolten. Vor allem Fries brilliert in ihrer Rolle als Hilde Coppi, die während des Nationalsozialismus in der Widerstandsgruppe der »Roten Kapelle« aktiv war und im Gefängnis ihren Sohn zur Welt brachte. Den beiden deutschen Beiträgen wurden im Vorfeld allgemein sogar Chancen auf einen Goldenen Bären zugerechnet. Am Ende blieb es bei der Auszeichnung an Matthias Glasner für das Drehbuch zu »Sterben«. Überraschend leer ging der bei Kritik und Publikum beliebte iranische Film »A Different Cake« aus, der auf liebevolle Weise von einer älteren Witwe erzählt, die sich selbstbewusst gegen ihre Einsamkeit stemmt.

Insgesamt bot der Wettbewerb der Berlinale in diesem Jahr eine große Vielfalt, die ganz besonderen Highlights aber blieben aus. Positiv hervorzuheben sind vor allem die unterschiedlichen Herkunftsländer, die damit einen breiten Blick auf die Filmwelt zeigten. Unterstrichen wurde dies mit dem Silbernen Bären für die beste Regie an den noch unbekannten dominikanischen Regisseur Nelson Carlo de los Santos Arias, der in seinem experimentell angelegten Dokudrama »Pepe« auf philosophische Weise vom gleichnamigen Nilpferd erzählt, das aus dem Zoo des Drogenbaron Pablo Escobar in Kolumbien ausbrach. Für die nächste Berlinale darf man nun gespannt sein, was die neue Leitung unter Tricia Tuttle präsentiert.

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