Kritik zu Jeanne du Barry

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Schauspielerin und Regisseurin Maïwenn versucht in ihrem Historien-Biopic über die legendär ehrgeizige Mätresse von König Louis XV einen modernen Blick auf eine Frau des 18. Jahrhunderts, die Karriere machen wollte  

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»What's a poor girl to do?« ist der Titel eines Operettensongs. Eine rhetorische Frage – es ist klar, was ein »armes Mädchen« machen kann: Einen reichen Mann kennenlernen – und seinen Körper in die Waagschale legen.

Denn so war das immer. Auch im 18. Jahrhundert, in dem Maïwenns Historiendrama »Jeanne du Barry« spielt: Die mittellose, junge Jeanne (Maïwenn) hat es gelernt, ihren Körper als Währung einzusetzen. Und sie ist ehrgeizig – um bei Hofe reüssieren zu können, heiratet sie aus strategischen Gründen den Grafen du Barry (Melvil Poupaud) und darf sich fortan »Jeanne du Barry« nennen. 

Als Pseudo-Adelige kann sie König Louis XV (Johnny Depp) vorgestellt werden, einem schwitzenden Herrn mit Appetit auf Mätressen. Jeannes unverstellte und respektlose Art gefällt dem müden König, die beiden verbindet zudem eine kindlich-anarchische Freude an der Provokation. Nicht mal die Hof-Regel, sich nach einer Audienz rückwärts in Trippelschrittchen zu entfernen, um Ihrer Majestät nicht – quelle Frevel! – das Hinterteil zuzuwenden, lässt Jeanne gelten: »Das kann ich einfach nicht«, kichert sie. Und Louis XV kichert mit – und macht sich gar über sich selbst lustig, indem er Jeanne nach einem Schäferstündchen ebendiese Trippelschritte vorführt.

Doch trotz Albernheiten und Intimität scheint Jeanne dem Adeligen über zu werden, gleichzeitig echauffieren sich die »echten« Blaublüter:innen immer mehr über die Beziehung. Und überhaupt: Wenn es um die Wurst geht, sind Frauen in der damals bereits schwer kritisierten, konstitutionellen Monarchie eh nur Beiwerk.

Es ist ein etwas bizarrer Mix aus Drama und Komödie, den die Regisseurin und Hauptdarstellerin herstellt: Mit der gleichen Leichtigkeit zeigt Maïwenn verstörende Erlebnisse und närrisches Ränkeschmieden. So ist es, könnte man vielleicht sagen – für eine Frau wie Jeanne gibt es keine andere »Karriere«. Maïwenn malt die Protagonistin als ein oberflächliches, aber energetisches Opfer – das dennoch zu nutzen weiß, was es hat: Aussehen, Charme und nichts zu verlieren. Irritiert schaut man daneben auf den bemüht, aber nicht unglaubwürdig (wenig) französisch parlierenden Depp – und auf den Skandal, den sein Auftritt bei der Filmpremiere in Cannes kurz nach dem medialen Hochereignis »Depp vs. Heard« hervorrief.

Das Oberflächliche in Jeannes Charakter färbt jedoch zusehends auf die Story ab: Große Tragik, großes Drama bleiben trotz passender Zutaten aus, eine Fallhöhe, die eine Empathie mit Jeanne ermöglicht, will sich nicht einstellen. Auch Maïwenns Schachzug, Jeanne eine Portion Menschenrechtsaktivismus mitzugeben, bleibt unfertig: Jeanne ließ einen schwarzen Sklaven namens Zamor (Djibril Djimo) für sich arbeiten – laut Maïwenn habe sie ihn ausgebildet und würdig behandelt. Dass das Verhältnis zwischen Sklavenhalterin und als Kind verschlepptem Sklaven kein gesundes sein kann, deutet Maïwenn zu knapp an.

Atmosphärisch unentschlossen fügt sich »Jeanne du Barry« somit nicht genug zu einem Ganzen zusammen, um die Heldin nachhaltig interessant zu machen. Immerhin: An den Perücken liegt's nicht. Die sind wahrhaft königlich.

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