Kritik zu A Greyhound of a Girl

englisch © PÖFF

Eine Geistergeschichte rund ums Kochen als Kunst, Tradition und ­Familiengeheimnis: Der italienische Animationsfilmspezialist Enzo D'Alò ­adaptierte einen Roman des irischen Autors Roddy Doyle

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An Selbstbewusstsein mangelt es der 11-jährigen Mary wirklich nicht. Die Aufnahmeprüfung an der elitären Kochschule? Wird sie wohl mit links schaffen. Von wegen. Ihre überkandidelte Bananentarte kommentieren die Juroren mit spitzzüngigem Spott. Mary ist wütend. Großmutter Emer, die fest an das Talent ihrer aufgeweckten Enkelin glaubt, provoziert gar einen Eklat. Doch die Oma, selbst leidenschaftliche Köchin, weiß auch, dass Mary mit bodenständiger Hausmannskost sicher bessere Chancen gehabt hätte. Als bei der Großmutter überraschend eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wird, gerät auch das Leben der Enkelin, die zu ihrer Oma eine sehr enge Beziehung hat, aus den Fugen.

Der italienische Animationsfilmspezialist Enzo D'Alò adaptierte die gleichnamige Buchvorlage des irischen Autors Roddy ­Doyle, die auf Deutsch unter dem Titel »Mary, Tansey und die Reise in die Nacht« erschien. Für einen Kinder- und Jugendfilm ist die Erzählung ziemlich komplex. »A Greyhound of a Girl« verknüpft das Schicksal von vier Frauen aus vier Generationen. Männer, die sich wie Marys Brüder und ihr Vater nur für Fußball und Spaghetti mit Fertigsoße interessieren, spielen in diesem subtil aufgefächerten weiblichen Kosmos nur Nebenrollen.

Kochen erweist sich dabei als vielschichtiges Motiv, in dem Leidenschaft, Unabhängigkeit, Authentizität und Verwurzelung in irischen Traditionen miteinander verwoben sind. So trifft Mary eine rätselhafte Frau mit eiskalten Händen, die ihr das entscheidende Gewusst-wie beim Kochen beibringt. Über diese Entwicklung ist Marys Mutter überaus besorgt. Offenbar redet ihre Tochter mit einer eingebildeten Freundin. Eine Psychologin wird hinzugezogen. Bald darauf wird die Angelegenheit erst richtig verrückt. Und zwar auf eine liebenswürdige Weise. Die rätselhafte Frau erscheint nun auch Marys Mutter. Tansey, so ihr Name, ist der Geist von Emers Mutter. Sie ist zurückgekehrt, um eine tief in der Familiengeschichte verwurzelte Schuld zu begleichen.

Es dauert schon eine Weile, bis der Funke dieser ambitioniert und vielschichtig erzählten Geschichte überspringt. Die Animation erscheint zunächst etwas grobschlächtig. Auf den zweiten Blick jedoch zeigt sich die sorgfältige, detailgenaue Darstellung vor allem der Innenräume. Die altmodisch erscheinende Animation erweist sich so als formale Spiegelung der filmischen Thematik: back to the roots. In diesem Sinn präsentiert Mary im zweiten Anlauf bei der Kochschule einen Colcannon, einen traditionellen irischen Kartoffelbrei mit Knoblauch, Weißkohl und viel Butter.

Gaumenfreude durch raffiniert zubereitete Hausmannskost: Dieses Motiv erinnert an »Ratatouille« von Brad Bird und Jan Pinkava. Die Subtilität dieser Disney-Pixar-Produktion erreicht »A Greyhound of a Girl« zwar nicht ganz. In Erinnerung bleibt jedoch eine originelle Geistergeschichte, die durch ihre differenziert gezeichneten Frauencharaktere überzeugt. Sehenswerte Traumsequenzen, in denen Angstzustände ästhetisch glaubhaft widergespiegelt werden, runden den sympathischen Animationsfilm ab.

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