Kritik zu Gaza Mon Amour

© Alamode Film

Eine romantische Komödie mit Checkpoints, Raketen und einer anstößigen antiken Statue: Die Zwillingsbrüder Arab und Tarzan Nasser erzählen von einer späten Liebe im Krisengebiet

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Es sind die leisen und beiläufigen Momente, die sich an diesem Film besonders einprägen. Beispielsweise eine Szene, in der der alte Junggeselle Issa sich in seiner karg eingerichteten Küche ein paar Fische anbrät, dabei einem sentimentalen Song lauscht und sichtbar glücklich herumtänzelt, als habe er bereits seine Braut im Arm. Wie ein verliebter Teenager wirkt da der 60-jährige Fischer, den Salim Dau (»Kiss Me Kosher«) mit einer sympathischen Mischung aus Knorrigkeit und Schüchternheit verkörpert. Zu diesem Zeitpunkt hat Issa gerade einmal die Gewissheit, dass er die verwitwete Schneiderin Siham wiedersehen wird, aber ob die zurückhaltende und stolze Frau (Hiam Abbass) sich jemals auf ihn einlassen könnte, steht noch in den Sternen. Nur in zaghaften Schrittchen wagt Issa eine Annäherung, und »Gaza Mon Amour«, die palästinensische Einreichung für die diesjährigen Oscars, verfolgt die sich anbahnende ungewöhnliche Romanze mit angemessener Diskretion.

Ein dramatisches Element kommt in diese ruhige Geschichte durch eine Überraschung, die sich eines Tages in Issas Netz verfängt: eine antike Apollo-Statue mit erigiertem Penis! Was aber Auftakt für plumpe Frivolitäten sein könnte, nutzt das Regisseursgespann Arab und Tarzan Nasser stattdessen als ambivalente Metapher und Stein des Anstoßes für eine auch politische Komödie. Denn anders als viele andere Romcoms blendet »Gaza Mon Amour« die Politik – die in diesem Fall harsche Lebensumstände bedeutet – nicht aus, sondern integriert sie in die Handlung und spiegelt die Absurdität eines Lebens zwischen israelischer Besatzung und repressiver Hamas-Regierung.

Checkpoints und Stromausfälle, Armut und Perspektivlosigkeit, schließlich auch Behördenwillkür und Raketenangriffe gehören zu Issas und Sihams Alltag, und der Film zeigt all das so selbstverständlich, wie es im Leben der Hauptfiguren geschieht. Auch Nebenfiguren wie Issas Schwester, die ihren Bruder zu gerne an eine wohlhabende Frau verkuppeln würde, oder sein bester Freund, Betreiber eines Lebensmittelladens, der lieber heute als morgen auswandern will, werfen Schlaglichter auf die Sehnsüchte und Ängste eines Lebens in Gaza, wirken dabei aber nicht auf diese Funktion reduziert, sondern sind glaubhaft als Individuen gezeichnet.

Eine Prise satirische Schärfe kommt in den Film, als die Statue die Polizei auf den Plan ruft und sich mit ihrer Beschlagnahme und Issas Festnahme eine Posse behördlicher Willkür entspinnt – laut den Regisseuren inspiriert von einer wahren Begebenheit um den Fund einer Apollo-Statue im Jahr 2014. Doch auch das verhandelt die Inszenierung mit beachtlicher Unaufgeregtheit. Böte sich hier gerade die Polizei für die eine oder andere filmische Bosheit an, gerät der Blick auf den einzelnen Menschen nie grausam – gerade so, als sei der Film genau wie sein Protagonist Issa so sehr mit der Liebe beschäftigt, dass für Hass in seinem Herzen einfach kein Platz mehr bleibt. Und diese Haltung bewahrt sich »Gaza Mon Amour« bis zum überaus charmanten Schlusspunkt.

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