Kritik zu Dorfpunks

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Eigentlich eine gute Versuchsanordnung: der Punk und die Provinz. Lars Jessen, bekannt als Regisseur der schönen Achtziger-Studie »Am Tag als Bobby Ewing starb«, hat sich einen autobiografi schen Roman des Musikers Rocko Schamoni vorgenommen

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»Freiheit ist für mich lustig«, sagt Roddy Dangerblood (Cecil von Renner) kurz vor einem Auftritt der Punkband ohne festen Namen. Er trifft damit ins Herz des inneren Konflikts, der seinen Freund Sid (Pit Bukowski) schließlich dazu bringt, auszusteigen. Freiheit ist für Sid alles. Es ist die Freiheit vom Kommerz, vom System und schließlich auch von der Verpflichtung, im selben Rhythmus wie die anderen zu schwingen; es ist weit mehr als nur das sprichwörtliche »nothing left to lose«. Wir schreiben das Jahr 1984, es ist Sommer, alle haben frei und sind es doch nicht. In diesem Dilemma spielt der Film.

Dass der Punk irgendwann einmal auch in Schmalenstedt angekommen ist, einem sehr bäuerlichen Dorf an der Ostsee, ist schon fast ein Wunder. Denn hier gibt es all das, was Punk bekämpfen wollte, schlicht nicht: keine Konsumtempel, keine bombastische Popindustrie und vor allem keine großstädtische Geschäftigkeit. Hier hängen die Punks im Wald ab, auf ausgedienten Liegestühlen, und trinken Bier am Lagerfeuer. Und dass die Band, die sie aus einem Impuls heraus gründen, zu den schlechtesten der Welt gezählt werden muss, versteht sich fast von selbst. Was hätte man aus diesem Widerspruch alles machen können.

Aber Regisseur Lars Jessen folgt dem Autor Rocko Schamoni sehr respektvoll durch seinen Roman, der autobiografische Elemente enthält und von dem Bedürfnis erzählt, sich Ausdruck zu verschaffen, sei es als Musiker oder als Schriftsteller. Jessen arbeitet sich an einzelnen Szenen ab, ohne das Ganze im Blick zu behalten. Es reicht eben nicht, aus Malte Ahrens Roddy Dangerblood zu machen, Pogo in der Dorfdisko und rechtsgerichtete Normalbürger zu zeigen und im Hintergrund Buzzcocks, Stranglers, Slime oder den KFC abzuspielen. Für einen Film braucht es mehr. Hier gehen Musik und Lebensgefühl keine Symbiose ein. Merkwürdig steif bleibt die Inszenierung selbst da, wo sie über die Stränge schlagen will. Die rechten Spießer, die den Außenseitern Prügel androhen, wirken stereotyp. Und die Party, die die Punks in einem schon fast klischeehaft wohlhabenden Haushalt sprengen, ist eine Ansammlung von Ausstattungsstücken. Nur Axel Prahl gelingt es, eine glaubwürdige Figur darzustellen, wenn er als Kneipier wortkarg, aber mit ausladender Geste ein Fenster in die weite Welt der Musik öffnet, auch jenseits des Punk, dessen Hochzeit 1984 ja schon fünf Jahre zurückliegt.

Lars Jessens Film ist insgesamt zu unentschieden. Er ist nicht genau genug, um Einblick in die merkwürdigen Falten der Zeit zu gewähren, und nicht komisch genug für eine Farce. Dazwischen wird es dann ziemlich eng. Jessens anderer Achtzigerjahrefilm, »Am Tag als Bobby Ewing starb«, hatte ein weniger klares Thema, fand aber für die merkwürdige Welt der Kommunen und AKW-Gegner die richtigen Bilder und erzählte eine Geschichte der Emanzipation. »Dorfpunks« hingegen wird weder dem Punk noch dem Dorf gerecht. Vielleicht hätte dem Film etwas von der kruden Mischung aus trockenem Humor und dokumentarischem Blick gutgetan, wie sie die Szene-trifft-Dorf-Doku »Full Metal Village« auszeichnet.

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