Kritik zu Der letzte König von Schottland – In den Fängen der Macht

© 20th Century Fox

Forest Whitaker spielt Idi Amin als Monster mit Charisma

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Die Geschichte ist fiktiv, aber der in Uganda aufgewachsene Giles Foden hat sie in seinem gleichnamigen Roman so präzise erdacht, dass man sie für wahr halten könnte: Der junge schottische Arzt Nicholas Garrigan (James McAvoy) hat gerade seine Approbation erhalten und reist 1971 mehr oder weniger zufällig als Entwicklungshelfer nach Afrika. Die berauschende Ankunft in Uganda zeigt der schottische Dokumentarfilmregisseur Kevin Macdonald in seinem Spielfilmdebüt zunächst ganz aus Nicholas' Tourismusperspektive, unterlegt mit folkloristischer Musik. Doch schon in der ersten persönlichen Begegnung mit General Amin, der gerade erst durch einen Militärputsch an die Macht gekommen ist, wird diese exotische Sicht gebrochen - was Macdonald durch seine zurückhaltende und doch doppelbödig-präzise Bildsprache bewirkt: Der Diktator hat in der Steppe eine Kuh angefahren und wimmert wie ein Kleinkind, weil er sich dabei die Hand verstauchte. Nicholas leistet Erste Hilfe und greift dann spontan nach Amins Pistole. Umringt von schwer bewaffneten Leibwächtern, gibt er der leidenden Kuh den Gnadenschuss.

Fasziniert von diesem dekadenten Weißen, der wegen eines Stücks Vieh sein Leben riskiert, heuert Amin den tollkühnen jungen Schotten an, macht ihn zu seinem Leibarzt und sogar zum persönlichen Berater. Regisseur Macdonald benutzt und unterläuft hier geschickt die Jenseits-von-Afrika-Perspektive des Weißen, der seine Weltsicht in den schwarzen Kontinent importiert.

Der vom Luxus korrumpierte junge Doktor erlebt Amins Terrorregime aus der Sicht von Pool-Partys und dem Cockpit eines Mercedes-Cabrios, das der Diktator seinem »Gast« großzügig schenkt. Der Film benutzt den naiven Blick des sich wichtig vorkommenden Arztes, um en passant all das anzudeuten, was Nicholas in seiner Borniertheit gerne übersieht. In einer besonders galligen Pointe pflegt Nicholas als Schotte seine Intimfeindschaft zu den Briten und verhöhnt deshalb den englischen Geheimagenten Stone (Simon McBurney), der dem Jungen höflich die Augen öffnen will. Diese Dummheit kostet am Ende auch eine von Amins Frauen das Leben, weil Nicholas in seiner selbstverliebten Einfalt nichts Besseres zu tun hatte, als sie zu schwängern.

»Der letzte König von Schottland« überzeugt aber weniger durch James McAvoy als »Hans im Glück« in einem Terrorregime als vielmehr durch die Darstellung Idi Amins: Forest Whitaker verleiht der instinktiven Bauernschläue und der infantilen Paranoia des an Alfred Jarrys König Ubu erinnernden Hampelmann-Diktators physische Präsenz. Das verführerische Charisma und die kumpelhafte Sanftheit verkörpert Whitaker so glaubhaft wie die latente Gewalttätigkeit des Monsters.

Der Film wird unmerklich immer beklemmender, derweil auch Nicholas begreift, dass er als Handlanger eines Massenmörders ausgerechnet Amins einzigen aufrechten Politiker in den Tod schickte, nämlich den Gesundheitsminister, der wirklich etwas für sein Land erreichen wollte. Mit der Bebilderung von Amins berüchtigten Gräueltaten hält der Film sich bis auf zwei Szenen merklich zurück. Auch den weltpolitischen Zusammenhängen öffnet der Film sich erst gegen Ende, wenn Nicholas allmählich zu begreifen beginnt. Die berühmte Flugzeugentführung, in die Amin verwickelt wird, streift der Film zwar nur, doch das Geiseldrama geht hier mehr unter die Haut als in dem US-Actionfilm »Unternehmen Entebbe«.

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