Kritik zu Auf dem Weg

© X-Verleih

2023
Original-Titel: 
Sur les chemins noirs
Filmstart in Deutschland: 
30.11.2023
L: 
95 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Denis Imbert adaptiert die autobiografische Erzählung von Sylvain Tesson, in der der Fußmarsch durch ein entlegenes Frankreich zu mehr als nur einer physischen Bewährungsprobe wird

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Seinem Verleger würde es schon genügen, wenn Pierres neues Buch von dessen Unfall handelte. Fürwahr, da gäbe es viel zu erzählen: über den Sturz aus acht Metern Höhe, das Schädeltrauma, die Knochenbrüche, die teilweise Gesichtslähmung – und über seine nicht weniger spektakuläre Rekonvaleszenz. Aber der Schriftsteller ist längst einen Schritt weiter. Er will Frankreich zu Fuß durchqueren.

Die Route hat Pierre (Jean Dujardin) präzise festgelegt, 1300 Kilometer beträgt die Strecke zwischen Mittelmeer und Normandieküste und führt mitnichten über flaches Land. Er wird die sagenumwobenen »chemins noirs« nehmen, geheime, verstohlene Wege, die einst historische Fluchtrouten fernab der großen Städte bildeten. In seiner derzeitigen Verfassung ist dieses Vorhaben keine bloße Eskapade, sondern heller Wahnsinn. Aber Pierre, der das Gefühl hat, auf diesen acht Metern um 50 Jahre gealtert zu sein, will beweisen, dass er es schaffen kann – den Ärzten, sich selbst, aller Welt.

»Einige wollen in die Geschichte eingehen und andere wollen in der Geografie verschwinden«, notiert er eingangs in sein Tagebuch. Damit scheint entschieden, welcher Gruppe er angehört. Aber er wird in der Folge nicht müde, die heroische Dimension seiner Unternehmung zu betonen. Der Off-Kommentar, der sich aus dem Tagebuch speist, scheut weder große Worte noch Prätention. Die Stille, die Sylvain Tessons Vorlage beschwört, setzt die Verfilmung nur sporadisch ins Recht. Pierre geht seinem Schicksal entgegen. Sein Heil liege in der Bewegung, schreibt er, und die Bewegung sei sein Gebet. Die Geografie spielt metaphernreich mit. Der Weg beginnt im »Vallée des merveilles«, dem Tal der Wunder, und führt über die »Diagonale du vide«, die leere Diagonale, welche die geringe Bevölkerungsdichte in der Mitte Frankreichs bezeichnet.

In atemberaubenden Totalen und Aufsichten zelebriert Denis Imbert die Erhabenheit der Landschaften, die sein Held durchquert. Pierre flieht nicht nur Zivilisation und Beziehungen. Er legt sich eine Buße auf, peinigt unausgesetzt seinen Körper. Seiner Vergangenheit entkommt er nicht; immer zielstrebiger enträtseln Rückblenden seine Vorgeschichte. Dujardin, der die Aura des Hasardeurs und Lebensgenießers mit sich trägt, ist eine triftige Besetzung.

Insgeheim hält Pierre an der Rastlosigkeit fest, die er doch hinter sich lassen wollte – nur eben in langsamerem Tempo. Erfahrungslos ist seine Passage durch ein verborgenes Frankreich weder für ihn noch das Publikum. Dafür stehen auch die Begegnung mit einem jungen Wanderer (Dylan Robert), der Besuch bei der Schwester seiner verstorbenen Mutter (Anne Duperey) sowie die Konfrontation mit seiner Schwester (IzÏa Higelin), die ihn ein Stück weit begleitet. In ihren Dialogen wird spürbar, welchen Preis die anderen zahlen, wenn einer aufbricht, um Freiheit und Abenteuer zu suchen. Werden sie sich annähern in der Trauer über den Verlust der Mutter? Der Weg weiß Rat. Manchmal sogar einen klügeren, als Pierres Tagebuch ahnt.

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