Kritik zu And the King Said, What a Fantastic Machine!

© Little Dream Pictures

Alex Danielson und Maximilien Van Aertryck lassen in ihrem Essayfilm den Wahnwitz der entfesselten Bildproduktion im Internet spürbar werden

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Schon einige Jahre vor Louis Daguerre, der lange Zeit als Erfinder der Fotografie galt, gelang dem französischen Tüftler Joseph Nicéphore Niépce 1826 die erste fotomechanische Wiedergabe überhaupt. Belichtungszeit: acht Stunden. Gegenwärtig werden weltweit 500 Stunden Bildmaterial veröffentlicht: pro Minute. Tendenz steigend. Diesen Sprung versuchen der schwedische Produzent Axel Danielson und der Franzose Maximilien van Aertryck in ihrem Dokumentarfilmdebüt fassbar zu machen.

Nicht als Erste widmen die beiden sich dieser Thematik. 2019 etwa schlugen Martin Baer und Claus Wischmann mit ihrem Filmessay »Der illegale Film« über das Bild im Zeitalter seiner digitalen Reproduzierbarkeit einen ähnlichen thematischen Bogen von der Erfindung der Fotografie bis hin zur Massenüberwachung. 

Um die Fülle der Einzelaspekte nicht ausufern zu lassen, verengen Danielson und Van Aertryck den Fokus. Sie kümmern sich kaum um ästhetische Aspekte der Bildproduktion. Ihr Anliegen richtet sich mehr auf die seit dem Aufkommen des Fernsehens ausdifferenzierte Werbeindustrie. Auch der Medienwirkung durch politische Manipulation dokumentarischer Bilder gilt ihr Interesse.

In einem Schlüsselmoment bejubelt Leni Riefenstahl am Schneidetisch die artifizielle Schnitttechnik ihres Propagandafilms »Triumph des Willens«. Damit spießt die Dokumentation einen relevanten Aspekt auf. Nicht erwähnt wird, dass der präsentierte Ausschnitt aus Ray Müllers dreistündigem Dokumentarfilm von 1993 »Die Macht der Bilder: Leni Riefenstahl« stammt, in dem die Nazifilmemacherin noch aus anderen Perspektiven beleuchtet wird. In Ansätzen zeigt das Vorgehen von Danielson und Van Aertryck ähnliche Defizite wie diejenigen, die sie hervorheben.

Diese Problematik verschwimmt allerdings in dem Maß, in dem der Film sich auf die eskalierende Aufmerksamkeitsökonomie seit der Digitalisierung konzentriert. Mit ihrer stakkatoartigen Blütenlese skurriler YouTube-Clips, von Gaga-Erotik bis hin zu stotternden IS-Trotteln, machen die beiden Filmautoren den Wahnwitz der entfesselten Bildproduktion im Internet eher spür- als begreifbar. Der Offkommentar verknüpft den Bilderreigen nur notdürftig.

Dabei schreien einige der präsentierten Fundstücke förmlich nach distanzierender Einordnung: Von dem Indigenen, der irritiert ist von einem Fotoporträt seiner selbst, das er erstmals in Händen hält, bis zu den Nerds, die ihren Alltag als Livestream posten, könnte die Kluft kaum größer sein. An einer theoretisierenden Distanz, die solche Phänomene reflektiert, sind die beiden Regisseure nicht wirklich interessiert. Ob wir uns zu Tode amüsieren oder ob die Raumsonde »Voyager« unsere Bilder tatsächlich bei Aliens abliefert, bleibt offen. Gut recherchiert ist das kurzweilige Kaleidoskop der Motive schon. Letztlich aber hebt sich dieser Bilderbogen nicht wirklich ab von jenen Phänomenen, die er Revue passieren lässt

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