ARD-Mediathek: »Tod den Lebenden«

»Tod den Lebenden« (Serie, 2023). © ARD Degeto/Anderthalb Medienproduktion/Daria Biliak/Finnegan Koichi Goden

© ARD Degeto/Anderthalb Medienproduktion/Daria Biliak/Finnegan Koichi Goden

Dichte Vielfalt der Ideen

Zwölf Jahre ist es her, dass sich Tom Lass – damals noch keine 30 Jahre alt –, mit seinem ersten, für gerade einmal 2 500 Euro und rein auf der Basis von Improvisation entstandenen Spielfilm »Papa Gold« als eine der spannendsten Stimmen des jungen deutschen Films etablierte. Letzteres ist er bis heute, auch wenn seine Regiearbeit zuletzt vor allem im TV zu sehen war und dort, sei es im »Tatort« oder in Serien wie »Druck«, die Impro-Elemente erwartungsgemäß weniger Raum einnehmen. Doch nun beweist er mit »Tod den Lebenden«, dass sich auch mit seiner liebsten Arbeitsweise seriell erzählen lässt.

Ihren Ursprung nahm die sechsteilige Serie im von Lass bereits vor etlichen Jahren initiierten ImproLab, regelmäßigen Zusammenkünften gleichgesinnter Schauspieler*innen, die zunächst einmal vor allem experimentieren wollen. Erst als die Grundstrukturen von »Tod den Lebenden« von ihm und seinem Ensemble längst entwickelt und ohne Budget bereits erste Szenen im Kasten waren, stiegen Produktionsfirma und Sender mit ein. Ohne, wie alle Beteiligten betonen, an der kreativen Freiheit, die dieses Projekt spürbar durchzieht, zu rütteln.

Eine ungewöhnliche Dreiecksbeziehung steht im Zentrum der Geschichte. Die bestimmt auftretende Heidi (Odine Johne) und der liebenswert naive Juklas (Julius Feldmeier) sind ein Paar, doch beide sind auch mit Becky (Kristin Suckow) zusammen. Man lebt gemeinsam in einer WG, teilt sich meist auch ein Bett (wobei Gruppensex irritierenderweise ein Tabu zu sein scheint) und auch ein Baby ist in Planung, das Becky austragen soll, weil Heidi keine Lust auf einen dicken Bauch hat. Als ihnen die Wohnung gekündigt wird, stößt unverhofft Akki (Lea van Acken), die Tochter des Vermieters, zum eingespielten Grüppchen. Und es treten noch andere Komplikationen auf. Denn bei Heidi wird eine schwere Krankheit diagnostiziert, verschlimmert durch den Klimawandel. Um an der Situation doch noch etwas zu ändern, radikalisieren die vier sich zu Aktivist*innen mit Umsturzplänen – und scheuen auch vor dem Griff zur Waffe nicht zurück.

Selten dürfte eine deutsche Serie so viel kreative Freiheit, Spielfreude und Widerstand gegen normierte Erzählmuster verströmt haben wie »Tod den Lebenden«. Lass und sein Team, zu dem neben den Hauptdarsteller*innen auch Lia von Blarer als Mit-Autorin gehört, erzählen gleichermaßen absurd und gekünstelt, aber doch mit viel Wahrhaftigkeit von Liebe, Zusammenhalt und dem Aufbrechen konventioneller Lebensentwürfe, aber auch von der Zerrissenheit einer jungen Generation zwischen Zukunftsangst und Egoismus.

Die Ideenvielfalt in den sechs kurzen Episoden ist derart hoch, dass fast zwangsläufig nicht jeder einzelne Einfall bis ins Letzte aufgeht. Aber wer Gefallen findet am sehr eigenen Humor der Serie, der nicht zuletzt in den improvisierten Dialogen zu finden ist, nimmt hier mindestens so viel zu lachen mit wie Denkanstöße.

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