Amazon: »Die Therapie«

»Die Therapie« (Serie, 2023). © Amazon Prime Video/ Ziegler Film

»Die Therapie« (Serie, 2023). © Amazon Prime Video/ Ziegler Film

Im Labyrinth des Leidens

Für manche seelischen Erkrankungen gibt es keine Therapie. Von einem solchen inneren Abgrund handelt diese streckenweise durchaus packende Serie. Die verwickelte Geschichte beginnt im Warteraum einer Berliner Kinderklinik. Obwohl die Kids um ihn herum mächtig Betrieb machen, ist Viktor Larenz kurz eingenickt. Als er sich nach seiner Teenagertochter Josy erkundigt, muss er entsetzt feststellen, dass sie offenbar entführt wurde. Komischerweise lassen die Kidnapper nichts von sich hören. Es gibt keine Lösegeldforderung. Dabei wäre bei dem wohlhabenden Psychiater, der in einem schlossartigen Anwesen lebt, einiges zu holen.

Das ist die Ausgangssituation einer sechsteiligen Amazon-Serie nach Sebastian Fitzeks Erstling »Die Therapie« aus dem Jahr 2006. Mehr als zwanzig weitere Krimis flossen seither aus der Feder des Vielschreibers. Thor Freudenthal, der Episoden für die US-Serien »Supergirl« und »The Tick« realisierte, setzt mit Co-Regisseur Ivan Sainz-Pardo vor allem auf die atmosphärischen Qualitäten des Stoffs. So zieht der gebrochene Vater sich nach dem spurlosen Verschwinden der Tochter auf eine winterlich karge Nordseeinsel zurück. Deren Abgeschiedenheit wird zum Spiegelbild seines zerklüfteten Innenlebens.

Besuch von einer rätselhaften Frau. Sie besteht darauf, von ihm therapiert zu werden. Doch das Verhältnis zwischen Arzt und Patientin scheint sich bald umzukehren. In der Rückblende entfaltet sich unterdessen die Geschichte der verschwundenen Tochter Josy. Offenbar geht auch noch die Ehe des Psychiaters den Bach hinunter.

Am Ende ist aber alles ganz anders. Man lässt sich zunächst gern treiben in dieser aufwendig inszenierten Hochglanzserie. Sorgfältig fotografierte Bilder entfalten einen Sogeffekt. Verschachtelt und nichtlinear wird die Geschichte vorwärts und rückwärts zugleich erzählt. Die Grenzen zwischen topographisch realen und subjektiv erlebten Räumen werden dabei auf reizvolle Weise verwischt. Die Dünen einer Nordseeinsel erscheinen wie von einem anderen Stern.

Die beiden Regisseure machen das Beste aus dem Stoff. Sie entkommen aber nicht der Begrenztheit der Vorlage. Für den Kritiker Denis Scheck markiert Fitzek »die Nulllinie der deutschen Gegenwartsliteratur«. Diese Limitierung offenbart sich in der Figur des Psychiaters. Deren statische Eindimensionalität passt nicht zur inszenatorischen Vehemenz, mit der dieser Mystery-Thriller den Zuschauer durch ein Labyrinth seelischen Leidens führt. Entsprechend greift Stephan Kampwirth, der eigentlich über ein breites Ausdrucksspektrum verfügt, in der Rolle des gramgebeugten Seelendoktors stets auf die gleiche Tonlage zurück. Leidende Miene. Und so erscheint leider auch die Schlusspointe der verdrehten Krankengeschichte, die auf eine äußerst seltene und exotische psychische Störung hinausläuft, nicht so ganz glaubhaft.

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