Starzplay: »Station Eleven«

»Station Eleven« (Miniserie, 2021). © Starzplay

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Die Welt danach

Auf der Bühne steht König Lear, das Publikum lauscht gebannt seinem Monolog, vorgetragen von Arthur Leander (Gael García Bernal), einem Filmstar, der sich in der Theaterwelt beweisen will. Plötzlich zögert er, eine Kunstpause womöglich, er wankt leicht, muss sich abstützen. Im Saal hält man das noch für Schauspiel, nur ein Mann reagiert, springt auf, klettert über die Stuhllehnen und läuft zur Bühne, will helfen, da ist der Lear-Darsteller bereits zusammengebrochen und liegt leblos da. Während Jeevan Chaudhary (Himesh Patel) ihn zu reanimieren versucht, entsteht Unruhe vor und auf der Bühne, der Vorhang fällt. Kurz darauf wird Arthurs Tod festgestellt.

Arthur ist der erste Tote in der Erzählung, aber bezeichnenderweise noch nicht Opfer jener Grippewelle, deren Ausmaß sich am selben Abend noch zeigt und die in kürzester Zeit die Menschheit dahinrafft. Sein Tod bildet den Auftakt der zehnteiligen Miniserie »Station Eleven«, die am 30. Januar auf Starzplay mit drei Episoden startet.

In der fulminanten Pilotfolge über den Ausbruch der Epidemie, inszeniert von Hiro Murai (»Atlanta«), verbarrikadiert sich Jeevan schließlich in der Wohnung seines Bruders Frank (Nabhaan Rizwan), nachdem seine als Ärztin arbeitende Schwester ihn dringend gewarnt hat. Im Schlepptau hat er die achtjährige Kirsten (Matilda Lawler), ein Mädchen aus dem Theaterensemble, das im Chaos des Premierenabends alleine geblieben war und dessen Eltern nicht erreichbar sind. Die restlichen Episoden kreisen von da an nicht so sehr um die Katastrophe selbst als um das Leben danach. Darum, wie die wenigen Überlebenden 20 Jahre später in einer Welt zurechtkommen, die alles neu anfangen muss. Im Zentrum steht eine Theaterwandergruppe, die mit Shakespearestücken durch die Gegend um die Großen Seen tourt, bei der die nun erwachsene Kirsten (Mackenzie Davis) eine wichtige Rolle spielt. Sie geraten in Konflikt mit einer Kinder-Sekte, die ein selbst ernannter »Prophet« gegründet hat.

Was wie eine Reaktion auf die sehr reale Covid-Pandemie klingt, hat ihren Ursprung weit davor. Die Serie von Patrick Somerville (»Leftovers«) basiert auf dem Roman »Das Licht der letzten Tage« der kanadischen Autorin Emily St. John Mandel, der 2014 erschien und zunächst als Spielfilm adaptiert werden sollte. Die Konzeption für die zehnteilige Miniserie wurde lange vor den ersten Nachrichten aus Wuhan geschrieben. Die Dreharbeiten in Chicago begannen im Januar 2020 und mussten kurz darauf für mehrere Monate unterbrochen werden.

So manches, was in »Station Eleven« zu sehen ist, erscheint nun erschreckend nah, etwa die Bilder im überfüllten Krankenhaus, wo auf den Fluren Dutzende Infizierte auf medizinische Versorgung warten. In ihren apokalyptischen Ausmaßen übertrifft die fiktive Schweinegrippe freilich unsere eigenen Erfahrungen um vieles. In einem beeindruckenden Effekt schneidet Murai in der Pilotfolge mehrmals urbane Straßenbilder mit Zeitsprüngen zwischen der Katastrophe und 20 Jahren später, als Gebäude und Fahrzeuge mit Pflanzen überwuchert sind, eine ausgestorbene Stadtlandschaft von merkwürdig friedlicher Schönheit, morbide und lebendig zugleich, in der das Trauma des Verlustes immer mitschwingt.

Der Titel der Serie bezieht sich dabei auf eine Graphic Novel, die eine Freundin des verstorbenen Arthur, Miranda Carroll (Danielle Deadwyler) geschaffen hatte, ein Science-Fiction-Comic über einen Astronauten, der auf einer kaputten Weltraumstation feststeckt. Zu ihren Lesern gehörte die kleine Kirsten, sie wird auch zwanzig Jahre später immer wieder ein ramponiertes Exemplar des Comics zur Hand nehmen – wie eine Prophezeiung, die sich erfüllt hat.

Im Kern geht es in »Station Eleven« weniger um eine Pandemie und die spektakulären Schauwerte eines Zivilisationszusammenbruchs als um Beziehungen, auch das ganz pragmatische Finden eines Menschen in einer aus den Fugen geratenen Welt, zurückgeworfen auf den technischen Stand vor der totalen Vernetzung. Bei aller Tragik erzählt die Serie vor allem von Liebe, Freundschaft und Solidarität, von der Kunst als Hoffnungsträger und der Kraft der Erinnerung.

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