Sky: »Scenes from a Marriage«

»Scenes from a Marriage« (Miniserie, 2021). © HBO

»Scenes from a Marriage« (Miniserie, 2021). © HBO

Bis die Ohren bluten

Ingmar Bergmans autobiografisch gefärbtes Trennungsdrama, 1973 als fünfstündige Serie und 1974 als dreistündiger Kinofilm veröffentlicht, zählt zu den interessantesten Ereignissen der jüngeren Filmgeschichte. Der Film erforderte besonders von Millionen Ehemännern, die in jener emanzipationsbewegten Zeit von ihren Frauen mit ins Kino genommen wurden, ein gerüttelt Maß an Masochismus. Er sagt, sie sagt: Stundenlang freiwillig den Streitereien eines Paares zu lauschen, das im realen Leben allen Zuhörenden größtes Unbehagen bescheren würde, das war etwas Neues. Der Quäleffekt ist aber beabsichtigt, wird doch in realitätsnahen Dialogen gnadenlos vorgeführt, wie sehr das Reden Betrug und Selbstbetrug ist.

Äußerlich orientiert sich das Remake an der Vorlage: Jessica Chastain, wie aus dem Ei gepellt, erinnert an Liv Ullmann, der luschig frisierte Oscar Isaac an Erland Josephson. Das Drama vollzieht sich wie gehabt in fünf Kapiteln. Einerseits erzeugen Nahaufnahmen, lange Einstellungen und innere Montage eine Intimität, die einen in den »huis clos« des sich liebenden und streitenden Paares hineinzieht. Andererseits wird nun durch eine Film-im-Film-Metaebene, in der sich zu Beginn der Folgen das Drehteam geschäftig auf das Stichwort »Action!« vorbereitet, die Distanz zum Schauspiel dieser scheiternden Ehe forciert. Vorhang auf also für ein perfektes Paar und seine kleine Tochter in einem perfekten Haus: Es beginnt auch hier mit einem Interview der zwei durch eine Studentin, die über die Geheimnisse guter Ehen forscht.

Doch in der in die progressiven heutigen USA verlegten Beziehungskiste findet ein Kind-Karriere-Rollentausch statt. Managerin Mira bringt weit mehr Geld nach Hause als der Unidozent und Hausmann Jonathan, was dieser ihr mit passiv-aggressiven Bemerkungen verübelt. Auch wird die Ehe nun durch sie, die ihn wegen eines jüngeren Mannes verlässt, gebrochen. Im Folgenden hat mal sie Oberwasser, mal er. Widerstreit zwischen Kopf, Herz und Ego, familiäre Prägungen, Kampf um Dominanz: Die Verschleierung fundamentaler Impulse durch Herumpsychologisieren und Pseudorationalisierung lassen auch hier aufhorchen.

Regieprofi Levi führt jedoch ein Handlungselement ein, durch das der Motor des Dramas, die Frage nach dem Warum, früh abgewürgt wird. Zu Beginn beichtet Enddreißigerin Mira ihre erneute – ungeplante? – Schwangerschaft. Sie erwartet insgeheim (so empfindet es die Zuschauerin) von Jonathan, dass er sich so freut wie sie oder sich zumindest mutig einbringt. Vom Moment an, in dem er, seine Feigheit mit wichtigtuerischem Philosophieren kaschierend, die Verantwortung allein ihr zuschiebt – was zu einer Abtreibung führt –, ist klar, dass der Ofen aus ist. Alles nach diesem Sündenfall wirkt wie ein auf Hochglanz polierter Gefühlszirkus, dessen Dramatik nicht recht zu packen vermag. Und wenn in der letzten Folge, in der sich das Paar der Welt öffnet, Miras Liebhaber auf der Bildfläche erscheint – Spoiler: Fans israelischer Serien werden schwärmen –, ist ihre letzte Entscheidung tatsächlich kaum nachvollziehbar.

OV-Trailer

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