"Ich arbeite sehr viel mit Improvisation"

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Foto: Picasa

Regisseur Tate Taylor über sein James-Brown-Biopic Get On Up

Mr. Taylor, Sie haben geäußert, "in dem Moment, wo ich das Drehbuch las, wusste ich, wie ich den Film zu inszenieren hätte"…

Wenn man wegnimmt, dass er James Brown ist, dass er schwarz ist, dass er reich und berühmt ist - dann ist das die Geschichte eines Mannes, der sagte: Ich kann nicht zurück gehen im Leben – und damit kann ich mich sehr gut identifizieren. Aus Angst davor, dass man seinen Standard nicht halten kann, arbeitet man sehr hart – ich selber kann nie aufhören zu arbeiten. Zum anderen war es für mich auch eine Geschichte aus dem amerikanischen Süden, da, wo ich herkomme. Ich fühle mich dieser Figur nahe, auch mein Hauptdarsteller Chadwick Boseman kommt aus South Carolina, so wusste ich, dass sein Herz dabei wäre.

Sie haben sehr ökonomisch erzählt, etwa die Szene vom Tod seines Managers auf dem Golfplatz. Wie viel davon war schon im ursprünglichen Drehbuch der Gebrüder Butterworth, wie viel haben Sie umgeschrieben und wie viel entstand erst im Schnitt?

Das Butterworth-Drehbuch war ein guter Ausgangspunkt für mich.  Ich hatte das Drehbuch ein Jahr, bevor ich mit dem Dreh begann. Ich arbeite sehr viel mit Improvisation. Bei dieser Szene war es so, dass mir die Idee erst während der Dreharbeiten kam, also sagte ich eine Woche, bevor wir das drehten: "Wir fügen eine Szene hinzu." Auch die Idee, die vierte Wand zu durchbrechen, dass James Brown sich also direkt an das Publikum wendet, stammt von mir, ebenso die Szene, wo er bei der Skiparty Frankie Avalon trifft und "I Feel Good" singt. Mit diesem Song hatte ich meine Schwierigkeiten, weil es mir zu klischeehaft vorkam. Erst durch diesen Kontext machte es Sinn. Das war alles nicht im Drehbuch – ich bekomme sehr viele Inspirationen erst während des Drehs.

Gehörte dazu auch die nicht-chronologische Erzählweise des Films?

Nein, das war von Anfang im Buch. Ich habe die Reihenfolge verändert, aber dann vieles im Schnitt wieder rückgängig gemacht.

Dies ist ein Stoff, den Hollywood viele Jahre machen wollte…

Oh ja, es gab mindestens vier verschiedene Drehbücher und einmal waren drei verschiedene Studios involviert. Spike Lee sollte Regie führen und schrieb sein eigenes Drehbuch, Eddie Murphy sollte vor langer Zeit einmal die Titelrolle spielen.

Wo Sie gerade Spike Lee erwähnen: der protestierte ja seinerzeit heftig, als die Geschichte des farbigen Boxers "Hurricane" Carter von einem Weißen inszeniert wurde. Gab es hier ähnliche Bedenken der schwarzen community?

Davon habe ich hier sehr wenig gehört. Ich finde das auch irgendwie rassistisch. Hier hatte ich schließlich auch die Unterstützung der Familie von James Brown.

Jeder biografische Film muss eine Balance finden zwischen der Arbeit des Künstlers und seinem Privatleben. Sie stellen James Browns Arbeit, vor allem seine Bühnenpräsenz, in den Vordergrund. Wie kam das zustande?

James Brown war ein Arbeitstier und 50 Wochen im Jahr on the road, wo er in Hotels lebte. Ich bin schon weitergegangen mit einigen seiner persönlichen Beziehungen, aber unglücklicherweise waren diese Szenen R-rated. Das ist nun einmal Amerika – sie können Menschen umbringen, aber wenn sie die entblößte Brust einer Frau zeigen, dann bekommen sie Probleme. Der Verleih wollte unbedingt einen Film haben, der PG-13 ist. So blieb mir nichts anderes übrig, als das herauszuschneiden. Aber das ist nicht so tragisch, denn, wie gesagt, sein Familienleben nahm keinen so großen Raum ein.

Der Film beginnt damit, dass James Brown eine Vorstellung gibt, allerdings eine der anderen Art: er singt nicht auf der Bühne einen Song, sondern fuchtelt in der Öffentlichkeit mit einem Revolver herum. Konfrontieren Sie damit das Publikum mit seinen eigenen lieb gewordenen Klischeevorstellungen über James Brown?

Genau das hatte ich im Sinn. In Europa mag das anders sein, aber in den USA denken die meisten beim Namen James Brown sofort daran, dass er gelegentlich in der Öffentlichkeit durchdrehte und unter Drogeneinfluss verrückte Dinge machte. Diese Szene erwartete jeder im Film, hätte ich sie fortgelassen, wäre ich dafür kritisiert worden. So sah ich darin eine Gelegenheit, dem Publikum einen Spiegel vorzuhalten.

Waren all seine früheren Weggefährten bereit, ihre Erinnerungen mit Ihnen zu teilen oder hegten einige noch einen so tief sitzenden Groll, dass sie es vorzogen, nichts zu sagen?

James war streng mit anderen Menschen, aber er hat nie von anderen etwas gefordert, was er nicht von sich selber gefordert hat, er war ein Perfektionist. Das erkennen alle an.

Mick Jagger ist einer der Produzenten…

Die Musik war ihm am wichtigsten, wir haben gemeinsam mit den anderen Produzenten die Songs ausgesucht und nach den bestmöglichen Aufnahmen geforscht. Am allerwichtigsten war für mich aber die Zeit, die er mit Chadwick Boseman verbracht hat, dem er erklärte, warum er was auf der Bühne macht.

Aber er hat sich nicht an der Finanzierung des Films beteiligt?

Neiiiin – er hat mich einmal zum Abendessen eingeladen.

Was wir im Film hören, ist die Originalstimme von James Brown?

Ja, Chadwick hat selber gesungen, aber die Songs von Brown wurden damals nicht auf Mehrspurgeräten aufgenommen, so dass wir seine Stimme nicht ohne weiteres herausfiltern konnten.

Wie viel Zeit verging zwischen der Fertigstellung von The Help und der Entscheidung für dieses Projekt als Nachfolgefilm?

Ich hatte die naive Vorstellung, nachdem The Help sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum erfolgreich war, dass ich danach in das inner sanctum kommen würde, wo ich alle künstlerischen Freiheiten hätte. Das war nicht der Fall. Ich bekam viele Angebote, aber es war nichts darunter, was mein Herz wirklich angesprochen hätte. Das hat sich mittlerweile geändert, derzeit habe ich fünf Projekte, die ich sofort in Angriff nehmen könnte.

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