Kritik zu Vom Ende eines Zeitalters

- kein Trailer -

2023
Original-Titel: 
Vom Ende eines Zeitalters
Filmstart in Deutschland: 
25.04.2024
L: 
155 Min
FSK: 
12

Christoph Hübner und Gabriele Voss schließen ihren siebenteiligen Zyklus »Prosper/Ebel – Chronik einer Zeche und ihrer Siedlung« ab, der zugleich eine Geschichte des Strukturwandels im gesamten Ruhrgebiet ist

Bewertung: 5
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Internationales Management habe er studiert, sagt der junge Mann aus der dritten Generation einer türkischen Einwande­rerfamilie. Geboren und aufgewachsen ist er in Bottrop-Ebel, einer kleinen Bergarbeitersiedlung im nördlichen Ruhrgebiet, errichtet Mitte des 19. Jahrhunderts für die Arbeiter der nahegelegenen Zeche Prosper, in die sein Vater und Großvater einfuhren. Obwohl in seiner Heimatstadt verwurzelt, sieht der Enkel in Ebel keine Zukunft mehr. Die kurze Episode aus dem neuen Film von Gabriele Voss und Christoph Hübner wirft ein Schlaglicht auf den Wandel, den große Teile des Ruhrgebiets in den letzten Jahrzehnten durchlaufen haben.

Seit 1978 verfolgt das Dokumentaristenpaar am Beispiel des kleinen Orts zwischen den riesigen Abraumhalden die Veränderungen in der ehemals größten Industrie­region Deutschlands. Zeigten die ersten Filme Arbeit und Alltag der Menschen, so befasst sich dieser letzte Teil mit dem Abbau der Industrieanlagen, den Veränderungen in den Wohngebieten, den gewandelten Lebensgewohnheiten der Bewohner. 

Wo früher ein reges Vereinsleben herrschte, ziehen sich die Menschen nun in ihre Häuser zurück. Ein Gartengelände, das zur Selbstversorgung der Bergarbeiterfamilien diente, ist zu einem modernen Wohngebiet geworden. Wo früher im Abstand von wenigen Hundert Metern Kirchen standen, trennen sich die Gemeinden nun von ihren Gebäuden wie von einem zu groß gewordenen Anzug, wie ein Mitarbeiter sagt. Der VfR »Polonia« Ebel muss um seine Spielstätte bangen. Sinnbildlich für die zunehmende Vereinzelung stehen die Bilder von menschenleeren Straßen, die im Film immer wieder zu sehen sind.

Andererseits sind positive Entwicklungen nicht zu übersehen. Der Umbau der Emscher, einst einer der schmutzigsten Flüsse Europas, ist nun eines der größten Renaturierungsprojekte Europas. Auf dem Gelände der Zeche Prosper III ist ein Gründerzen­trum entstanden. »Innovation City« nennt der Bottroper Oberbürgermeister stolz seine Stadt. Inzwischen weise das Ruhrgebiet die dichteste Hochschullandschaft Europas auf. Bis 1965 gab es in der Region keine einzige Universität. Stadt- und Landschaftsplaner erzählen von den Chancen, die der Umbruch für die Region bietet.

»Vom Ende eines Zeitalters« ist keine Analyse des Strukturwandels, keine Bilanz, die Vor- und Nachteile dieser ­Entwicklungen protokolliert. Vielmehr zeigt der – durchweg kommentarlose – Film, was sich hinter dem Begriff des »Strukturwandels« konkret verbirgt. In kurzen Episoden kommen Menschen zu Wort, die auf je eigene Weise betroffen sind. Aufnahmen aus den 80er Jahren und von heute stehen im Kontrast, sie kommentieren sich wechselseitig, setzen sich mosaikartig zu einem Gesamtbild zusammen. Eine »Montage der Brüche« nennen das die Filmemacher. Mit »Vom Ende eines Zeitalters« rundet sich der Ebel-Zyklus zu einer einzigartigen Sozialgeschichte des Ruhrgebiets. Teile davon wurden vor einigen Jahren in die Liste des »Nationalen Filmerbes« aufgenommen.

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