Kritik zu Die Hannas

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Regisseurin Julia C. Kaiser erzählt in ihrem neuen Film von einem Langzeitpaar, das sich allzu gemütlich eingerichtet hat und erst durch Affären die jeweiligen Leidenschaften neu entdecken lernt

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Sie leben in ihrem kleinen, abgesteckten Nest, diese Hannas: Seit 15 Jahren kultivieren Hans und Anna ihre Symbiose, sogar namentlich, beide essen sie gerne und liebkosen sich mit diesem Schatzi-Bussi-Heiteitei-Kram, der sich einschleicht bei Langzeitpaaren. Furchtbar anzusehen für Außenstehende, aber doch wichtig für viele intakte Beziehungen. Und die pflegen die Hannas, zumindest zu Beginn des Films: »Ihr seid wirklich das einzige Paar für mich, dass es schafft, den Alltag zu leben, ohne durchzudrehen«, sagt Freundin Lisa (Anne Ratte-Polle) und hat dabei den eigenen Trott mit ihrem Partner Florian (Christian Natter) im Kopf.

Dann lässt Regisseurin Julia C. Kaiser in einer Szene einen älteren Herren mit Hut und Pfeife einen Strich auf die Straße malen. Ein wunderbares Bild für das, was folgt, nämlich die schrittweise Entzweiung: Während Physiotherapeuten Anna bei ihrem Job die aufgedrehte Nico (Ines Marie Westernströer) kennen und lieben lernt, bändelt Hans mit deren Schwester und Bondageliebhaberin Kim (Julia Becker) an, die er als Fitnesstrainerin engagiert hat und die es liebt, ihn nackt durch den Wald zu jagen. Ohne Moralkeule und unnötige Psychologisierungen erzählt Kaiser herrlich originell und sinnlich, wie beide ihre Komfortzone verlassen und die Leidenschaft neu entdecken.

Das alles fühlt sich ein bisschen an wie »Blue Valentine« auf German Mumblecore-Art, obwohl »Die Hannas« kein Improvisationsfilm ist. Aber er ist taff und unkonventionell inszeniert, die Handkamera von Dominik Berg ist dicht an den Figuren, zwischendurch streut Kaiser surreale Momente ein. Und wie das wahre Leben ist ihr Film mal urkomisch und mal tieftraurig. Dass gegen Ende das Verhalten der Schwestern überflüssigerweise mit einer Vergewaltigungsgeschichte erklärt wird, sei verziehen. Denn mit »Die Hannas« gelingt der Wahlberlinerin ein sympathischer kleiner Film über die Irrungen und Wirrungen der Liebe und darüber, dass allem Ende (vielleicht) ein ­Anfang innewohnt.

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