Überschäumend

Vor vielen Jahren sollte ich auf der Viennale einmal eine Pressekonferenz mit der gestern verstorbenen Jane Birkin moderieren. Es gibt wenige Gespräche, die mir in so unauslöschlicher Erinnerung geblieben sind. Das Großartige daran war: Sie brauchte mich nicht.

Das Festival widmete seinerzeit nicht nur der Schauspielerin eine Hommage, sondern sie absolvierte in Wien auch einen Auftritt als Sängerin. Dem damaligen Festivalleiter Hans Hurch war der Anlass so wichtig, dass er sich unbedingt vorab mit mir besprechen wollte. Das hatte er noch nie gemacht. Ich gab ihm einen Überblick dessen, was ich Birkin fragen wollte. Uns beide faszinierte das Schillern ihrer Karriere zwischen dem Leichtfüßigen (ihre Komödien mit Pierre Richard) und dem Schwergewichtigen (Jacques Doillons Seelenerforschungen). Fürwahr, eine mutige Grenzgängerin, die der eigenen Schüchternheit manches Schnippchen zu schlagen verstand, Ihre Filme mit Agnès Varda erschienen uns hierbei als ein treffliches Bindeglied.

Ich gab zu bedenken, dass wir natürlich auch über die Nacktheit sprechen sollten. Unbedingt, stimmte Hans mir bei, zumal das Thema ja schon durch Antonioni, Doillon und Jacques Rivette autorenfilmerisch hinreichend gedeckt schien. Wir waren zwar nicht sicher, ob sie in »Die schöne Querulantin« tatsächlich unbekleidet auftrat, fanden aber, dass die Richtung stimmte. Ich ergänzte, sie sei eine Art von Frau, die auch Männer begeistert, deren Typ sie eigentlich nicht ist. Darüber hatte Hans noch nicht nachgedacht. Gewisse Phantasien fallen vielleicht eher in die Zuständigkeit von Journalisten als in die eines Festivalleiters. Für das anstehende Gespräch war das ohnehin nicht von Belang.

Gleichviel, zufrieden mit unserer Planung und entsprechend zuversichtlich gingen wir in den Konferenzsaal. Dort wurde aus unseren Ideen augenblicklich Makulatur. Allein schon ihr Erscheinungsbild entwaffnete uns Sie kam in einem burschikosen Trägershirt und mit strahlendem Lächeln aufs Podium. Jane Birkin ließ uns alt aussehen. Sie brauchte keine Aufforderung, sondern legte sofort los und redete, wie ihr der Schnabel gewachsen war. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Ich glaube, ich brachte keine einzige meiner Fragen an. Birkin erzählte ihre Geschichte, reflektierte sie klug. Ihr Lächeln blieb weiter strahlend, auch wenn sich ein nachdenklicher Zug einschleichen konnte. Wünsche, Enttäuschungen und Erlebnisse blitzten lebhaft auf Alles ergab aus ihrem Munde Sinn. Die Lacher hatte sie auch auf ihrer Seite. Fragen aus dem Publikum begrüßte sie und antwortete in träumerischer Diktion. Sie kommunizierte hingebungsvoll und ungeschützt, eine Entertainerin mit Haut und Haar. Am Ende dankte sie ihren Gesprächspartnern, die keinen Deut beigetragen hatten. Ein echter Star.

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