Fantasy Filmfest Nights 2021

»A Quiet Place 2« (2019). © Paramount Pictures

»A Quiet Place 2« (2019). © Paramount Pictures

Alles verschwimmt. Kunstvolle Kammerspiele dominieren bei den Fantasy Filmfest Nights XL in sechs deutschen Großstädten

Neun Monate sind mittlerweile vergangen, seit die Freunde des fantastischen Films im Kino Festivalstimmung spüren konnten, denn die zwischenzeitlichen zweitägigen Fantasy Filmfest Nights, die das Warten bis zum Festival im September verkürzen, mussten pandemiebedingt ausfallen. Dafür steht jetzt eine viertätige XL-Ausgabe ins Haus, in München und Nürnberg läuft sie bereits, in Berlin, Hamburg, Köln und Stuttgart steht sie ab kommenden Donnerstag auf dem Programm, nur die Frankfurter haben diesmal das Nachsehen, das dortige Kino bietet unter Pandemiebedingungen zu wenig Sitzplätze, ist deshalb für die Veranstalter wirtschaftlich nicht zu bewältigen.

Siebzehn Filme stehen in den vier Tagen auf dem Programm, eröffnet wird mit der Vorpremiere von »The Conjuring 3« (Kinostart am 1.7.): ein neuer Fall (»based on a true story«) für die paranormalen Ermittler Ed und Lorraine Warren, diesmal angesiedelt im Jahr 1981. Hier obliegt es ihnen, Beweise für den vielzitierten Satz »The devil made me do it« beizubringen, anderenfalls wird der junge Arne, der einen Bekannten mit 22 Messerstichen getötet hat, nämlich zum Tode verurteilt werden. Dass der Film über weite Strecken mit seinen Ermittlungen eher wie ein Polizei- bzw. Detektivfilm funktioniert, ist eine angenehme Abwechslung zum sonstigen Möbelrücken des »haunted house«- & Exorzismus-Subgenres. 

Prototypischer für das Gesamtprogramm ist die zweite Vorpremiere, »A Quiet Place 2« (Kinostart bereits am 24.6., überall dort, wo die Kinos zu diesem Zeitpunkt wieder geöffnet haben). Die Fortsetzung des 2018er Überraschungserfolgs von und mit John Krasinski verspricht wieder ein Kammerspiel, das mit kleinen Mitteln große Wirkung erzielt. In diese Kategorie lässt sich der Großteil der Filme einordnen, die vorab zu sehen waren, alle sind stark auf ihre Figuren konzentriert statt auf Effekte. In gleich mehreren Filmen verirren sich die Protagonisten in Labyrinthen zwischen (Alb-)Träumen und Wachen, zwischen Gegenwart und Vergangenheit, bevor das Ende oft eine überraschende Pointe setzt.

In »Come True« von Anthony Scott Burns wird die junge Sarah von einem wiederkehrenden Albtraum geplagt, in dem ein langer Tunnel und eine finstere Gestalt, die nur in Umrissen zu sehen ist, ihr zusetzen. Als sie einen Aushang entdeckt, in dem Freiwillige für ein Schlafexperiment gesucht werden, schöpft sie Hoffnung. Doch das Gegenteil tritt ein, die sie betreuenden Assistenten des Forschers mögen keine Fragen, ihre Bettnachbarin ist nach kurzer Zeit verschwunden und schließlich erscheint die finstere Gestalt auch auf den Überwachungsmonitoren der Wissenschaftler.

Zwischen Gegenwart und Vergangenheit pendeln die Gedanken von Fred in Christopher MacBrides »Flashback«: auf die Präsentation, die er in Kürze in seinem Beruf vor wichtigen Partnern der Firma halten soll, kann er sich kaum konzentrieren, immer wieder kehren seine Gedanken zu seiner Highschool-Freundin Cindy zurück, die am letzten Schultag verschwand. Er sucht die anderen beiden Jungs aus seiner Clique auf, gemeinsam versuchen sie, diesen Tag zu rekonstruieren, sicher ist nur, dass sie damals in einem Club eine neue Droge ausprobierten. Die psychedelischen Szenen, in denen er sich seinerzeit verlor, überlagern die Gegenwart. Wenn er bei der Präsentation durchdreht, weiß der Zuschauer für einen Augenblick nicht, ob das Wirklichkeit oder Imagination ist. Schön auch, als Cindy die Hauptdarstellerin aus »It Follows«, Maika Monroe, wiederzusehen.

Im britischen »Caveat« von Damian McCarthy nimmt Issac den Auftrag eines Freundes an, für einige Tage auf die Tochter von dessen verstorbenem Bruder aufzupassen. Dass  deren Haus auf einer Insel liegt, ist nur die erste von mehreren unangenehmen Überraschungen für Isaac, der nicht schwimmen kann. Das Mädchen jedenfalls präsentiert ihm eine ganz andere Geschichte über den Tod ihres Vaters als sein Freund, irgendwann ist Isaac soweit zu glauben, dass er selber, der an Amnesie leidet, derjenige war, der den Vater getötet hat. Als dann sein Freund auftaucht, stehen sich drei Menschen in gegenseitigem Misstrauen gegenüber. Dass alle drei die finale Auseinandersetzung überleben werden, ist zweifelhaft, ebenso, ob die Wahrheit ans Licht kommt.

In Ivan Kavanaghs »Son« scheinen die Verhältnisse klar zu sein: der schwangeren Laura ist es einst gelungen, einer Sekte von Teufelsanbetern zu entkommen. Doch eines Nachts sieht sie sich im Zimmer ihres mittlerweile achtjährigen Sohns Davis einer Gruppe von Menschen gegenüber – jenen, denen sie damals entkam. Die Polizei kann keine Spuren von Eindringlingen entdecken, doch kurz darauf erkrankt David schwer, die Ärzte sind ratlos. Laura sieht ihre einzige Chance darin, in ihre Vergangenheit zurückzukehren, Menschen ausfindig zu machen, mit denen sie damals zu tun hatte und die ihr jetzt vielleicht helfen können. Verfolgt von einem hilfsbereiten Detective und dessen skeptischem Kollegen muss sie allerdings auch feststellen, dass ihr Sohn Appetit auf Blut entwickelt. Oder spielt sich alles nur in ihren Kopf ab? Der skeptische Polizist wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Laura sich in psychiatrischer Behandlung befand, nachdem sie von ihren eigenen Vater missbraucht wurde.

Auch in »Bad Hair« verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Für die junge Schwarze Anna ist die Moderation ihrer eigenen Show im Musikfernsehen das Höchste aller Ziele. Man schreibt das Jahr 1989, der stromlinienförmigen Neuausrichtung sind in dem kleinen, einst alternativen Sender unter der neuen Leitung schon mehrere Kolleginnen zum Opfer gefallen, jetzt gibt die Chefin Anna eine Chance – wenn sie nur ihren Afro loswerde, der passe nicht mehr zu dem Sender. Und sie hat auch gleich die Visitenkarte eines exklusiven Salons bereit. Doch dann muss Anna feststellen, dass ihre neuen, glatten langen Haare ein Eigenleben entwickeln. Auch sie dürsten nach Blut…

Schwarzhumorig geht es auch zu im koreanischen »Voice of Silence« in dem zwei kleine Ganoven sich als  Cleaner für Gangsterbosse betätigen. Meist leben die Männer, deren Überreste sie beseitigen sollen, noch, wenn sie am jeweiligen Arbeitsplatz eintreffen. Das Ansehen der Folterungen bleibt dem Zuschauer erspart, stattdessen wird er Zeuge, wie die beiden plötzlich ein kleines Mädchen am Hals haben, das wegen eines Lösegelds entführt wurde.

Einer der wohl düstersten Filme des Programms ist »Violation« von Dusty Mancinelli und Madeleine Sims-Fewer. Der Wochenendbesuch von Madeleine und ihrem Mann bei ihrer Schwester ist von vornherein von Auseinandersetzungen gekennzeichnet, zwischen den beiden Schwestern, aber auch zwischen dem Ehepaar. Entspannt scheint nur das Verhältnis von Madeleine zu ihrem Schwager zu sein, bei einem alkoholgeschwängerten Abend am Lagerfeuer kommen sie sich näher. Ob er sie dann vergewaltigt hat oder aber sie »beide zu weit gegangen sind«, wie er am nächsten Tag meint, bleibt offen. Sicher ist nur, dass Madeleine brutale Rache nimmt. Eine Identifikationsfigur ist sie aber schon vorher nicht unbedingt. So zieht der Film mit seinen suggestiven Naturunternahmen, unterlegt mit einem Stück von Edvard Grieg, und seinen kunstvollen Verschachtelungen von Gegenwart und Verangenheit den Zuschauer einerseits hinein und hält ihn andererseits auf Distanz.

Schon lange gehören auch klassische Kriminalfilme zum Angebot des Fantasy Film Fests, in diese Kategorie fällt der australische »The Dry« von Robert Connolly. Eric Bana spielt den Polizisten Aaron, der in seinen Heimatort zurückkehrt, wo gerade sein Jugendfreund Luke seine Familie erschossen und dann Selbstmord begangen hat. Lukes Eltern können das nicht glauben, Aaron beschließt, die Ermittlungen zu unterstützen und wird dabei von seiner Vergangenheit heimgesucht, von jenem Ereignis, dass ihn und seinen Vater vor zwanzig Jahren zwang, den Ort fluchtartig zu verlassen. Damals wurde Aarons Freundin Ellie tot aufgefunden, Luke und er verschafften sich gegenseitig ein Alibi, doch das Misstrauen und die Wut, vor allem von Ellies Vater, blieben und werden mit Aarons Rückkehr neu entfacht. Immer wieder kreisen Aarons Gedanken um jenen verhängnisvollen Tag, während er den wahren Täter des Mordes sucht. Am Ende werden beide Fälle gelöst.

Fantasy Film Fest Nights XL, München und Nürnberg, 17.-20.6.; Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart  24.-27.6.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt