Interview mit Oliver Kienle über seine Serie »Bad Banks«

Oliver Kienle

Oliver Kienle

Herr Kienle, Ihren Namen kennt man als Regisseur und Autor des Psychothrillers »Die Vierhändige«, der Ende letzten Jahres in den Kinos lief. Wie sind Sie zu dem Projekt »Bad Banks« gekommen?

Die Produzentin Lisa Blumenberg lernte ich bereits kennen, als ich 2010 beim Studio Hamburg Nachwuchspreis für mein Debüt »Bis aufs Blut« den Regiepreis bekam.

Im März 2014, als ich gerade einem »Tatort« inszeniert hatte, hat sie mich angesprochen und mir die Idee für die Serie unterbreitet. Ich war erst einmal skeptisch beim Thema, habe aber dann festgestellt, dass das ein unheimlich spannendes Universum ist, weil man hier alle Elemente einer modernen Serie finden konnte, diese ganzen Duelle und Machtkämpfe – genau die Konflikte, die im Film zu Ende geführt werden, in der Serie aber nicht, mit Figuren, die sich im ständigen Wechsel zwischen Freund und Feind immer wieder neu orientieren müssen um an ihr Ziel zu kommen

Aus dem ZDF-Presseheft ist zu entnehmen, dass Investmentbankern seit 2009 gewissermaßen verboten ist, mit Journalisten über ihre Tätigkeit zu sprechen. Wie sind Sie trotzdem an die heran gekommen?

Oft über persönliche Kontakte – offiziell ist das in der Tat schwierig, wir haben zum Teil gute Kontakte über unsere Fachberater gehabt, also Leute, die schon ein Stück weit draußen waren aus dem Banking. Wir haben aber auch Investmentchefs getroffen, mit denen die Gespräche Top Secret waren. Es gab schon ein großes Bedürfnis, darüber zu reden, eben weil diese Tätigkeit so einen schlechten Ruf in der Öffentlichkeit hat.

Sie haben Sich zum Einstieg sicherlich auch die bekannten amerikanischen Spielfilme zum Thema angeschaut: »Margin Call«, »The Wolf of Wall Street« und »The Big Short«? Wie viel hat das gebracht?

Die finde ich alle drei gut, »The Wolf of Wall Street« ist natürlich eine andere Zeit mit anderen Menschen; sowohl »Margin Call« als auch »The Big Short« behandeln ganz klar die Finanzkrise 2008: Aber bei uns war die Herausforderung, die Situation jetzt, zehn Jahre nach der Krise, zu schildern: was sind die Herausforderungen für die Banken, wie könnte jetzt eine neue Krise entstehen? Es gibt jetzt auch viel mehr junge Frauen in diesem Beruf, die eine neue Energie mitbringen.

Wie lief die Entwicklung der Serie im Einzelnen ab?

Im März 2014 habe ich angefangen zu recherchieren und die ersten Entwürfe zu schreiben. Zusammen mit der Produzentin Lisa Blumenberg habe ich versucht, diese Branche authentisch zu erzählen und trotzdem dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, daran anzudocken. Für mich war eine zusätzliche Herausforderung, dass ich ein Original schaffen wollte, also nicht: »Wir machen jetzt das deutsche »House of Cards« oder das deutsche »Suits««. Das ist eine Schwierigkeit, zumal am Anfang, weil man ja kein Vorbild hat, an dem man sich orientieren könnte. Ich habe über ein Jahr gebraucht, bis ich ein wirklich gutes Drehbuch der ersten Folge hatte. Das war dann der Zeitpunkt, wo wir auch Redaktion und Regie ins Boot geholt haben. Dann sind wir noch einmal in Klausur gegangen, ab Sommer 2015 habe ich mich mit zwei weiteren Autoren, Jan Galli und Jana Burbach, für zwei Wochen in einen Writers Room zurückgezogen. Unser Hauptfachberater war ebenfalls dabei.

Das Konzept des Writers Room ist in Deutschland noch nicht so verbreitet, Wie kam es hier dazu?

Es war kein richtiger Writers Room im amerikanischen Sinne, bei dem alle Autoren in einem Raum sitzen und parallel an den Büchern arbeiten. Es war eher ein Brainstorming, was für mich einfach ein total sinnvolles Tool war. Danach sind wir auseinander gegangen und haben für uns geschrieben, ich habe die erste Folge überarbeitet, parallel entstand ein Staffelbogen. Im Herbst 2015 war ich dann für drei Monate draußen, weil ich meine eigenen Film »Die Vierhändige« drehte. Im Januar 2016 kam ich zurück und wir fingen an, an den Drehbüchern zu arbeiten. Im August ging schon die Vorproduktion los. Wir mussten in dieser Phase also ziemlich schnell sein und die restlichen fünf Folgen in einem halben Jahr schreiben. Das lief dann so, dass Jana und Jan die erste Fassung geschrieben haben und ich dann übernommen habe. Die erste, fünfte und sechste Folge habe ich komplett alleine geschrieben, die anderen haben die beiden gestartet. Ich war dann auch bei den Location-Besichtigungen dabei, das brachte noch einmal einen Input – ich bin dabei wie ein Schwamm, der alles aufsaugt. Dann ging auch die intensive Phase mit Christian Schwochow los. Ich wusste, das ist ein Stoff, bei dem der Regisseur auch noch mal eine andere Art von Recherche machen muss. Wie reden die Banker, wie ziehen sie sich an, wie riecht das? Das war noch mal ein toller Austausch, wo sehr viel passiert ist und sich gezeigt hat, was Christian für ein toller Regisseur ist. Nie vergessen werde ich, wie ich wenige Wochen vor Dreh an einem Tag 45 Szenen in den Drehbüchern gestrichen habe, weil wir lieber weniger, dafür qualitativ hochwertiger drehen wollten. Ich musste immer sehr schnell reagieren – übrigens auch während des ganzen Drehs.

Ist es beim Fernsehen üblich, dass Autoren beim Dreh dabei sind?

Eher nicht. Wenn ich das erzählt habe, bin ich auch immer wieder auf überraschte Gesichter gestoßen. Eigentlich war geplant, dass ich noch mehr dabei sein sollte, das war auch ein Wunsch von Christian. Wir haben aber gemerkt, der Dreh lief sehr gut, so habe ich mich darauf beschränkt, jeden Tag zuhause die Muster anzusehen. Ich musste viel reagieren. Dabei ging es nicht immer nur darum, irgendetwas retten zu müssen, sondern vor allem darum, die Erfahrungen des Drehs zu nutzen, um die Serie noch besser zu machen. Das war eine sehr bereichernde Arbeit. Es war auch für die Produktion gut, denn ich konnte auch auf produktionstechnische Probleme reagieren, wenn sich Dinge nicht so umsetzen ließen wie geplant. Genauso wie sich Christian bei den Drehbüchern eingebracht hat, habe ich mich im Schnitt eingebracht. Ich habe verschiedene Rohschnittfassungen bekommen und habe ein ausführliches Feedback geschrieben. Im Schneideraum war ich aber nie.

Stand das schon in Ihrem Vertrag, dass Sie nach Fertigstellung des Drehbuches weiterhin involviert sein würden?

Nein. Aber mir war bei der Wahl des Regisseurs wichtig, dass es niemand war, der eine Arbeit for hire macht, sondern jemand, der Recherche ernst nimmt und jemand, der sich mit Drehbüchern auskennt. Wir sind uns daran einig: alles, was das Projekt besser macht, muss man annehmen, ohne dass dem irgendwelche Eitelkeiten im Weg stehen.

Ist die Produzentin von Anfang bis Ende involviert, ist sie gewissermaßen die letzte Instanz?

Lisa Blumenberg ist eine tolle Produzentin, weil sie sich die Zeit nimmt, konzentriert an einem Projekt zu arbeiten.

Die Redaktionen standen ihnen aber nicht dauernd auf den Füßen und waren die ganze Zeit nervös, dass ihr Geld gut angelegt ist?

Nein, ich bin aber auch sehr offen, was Feedbacks anbelangt. Bei »Bad Banks« hatte ich immer das Gefühl, dass meine Haltung zu zeitgemäßem Erzählen und alle ungewöhnlichen Ideen immer mit Wertschätzung aufgenommen wurden.

Können Sie Sich an eine Szene erinnern, die sich vom Drehbuch über den Dreh bis zum Schnitt stark verändert hat?

Nicht wirklich. Die zweite Folge funktionierte im Schnitt am schlechtesten. Trotzdem ist die Folge genau noch die, die sie im Drehbuch ist, wir haben sie nur anders strukturiert.

Das wurde durch Schnitte und Umstellungen bewerkstelligt, Nachdrehs waren nicht notwendig?

Ja, es gab nur eine Szene, wo Christian und ich es versäumt haben, uns vorher abzusprechen

Es ging dabei um Hedgefondsmanager. Da gab es die Überlegung eines Nachdrehs, das war nicht möglich, wir haben dann eine Ersatzlösung gefunden. Da habe ich auch als Autor bemerkt, dass ich hätte genauer hineinschreiben müssen, was sie da in dieser Szene verhandeln.

Am Ende der Serie gibt es einen Toten – oder ist nicht eindeutig klar, ob er tot ist –ein weiterer Cliffhanger für eine eventuelle zweite Staffel?

Nein, er ist tot. Die Szene ist für mich eine sehr persönliche. Die Serie stellt ja am Anfang die Frage, wofür man sich derart kaputt arbeitet. Da ich selber einen Vater hatte, der sich im klassischen Sinne totgearbeitet hat, fühlte es sich für mich richtig an, die Staffel mit einem Bild zu beenden, das die Sinnlosigkeit des Arbeitswahns spürbar macht.

Es gibt in der letzten Folge Szenen, die die Möglichkeit einer zweiten Staffel offenhalten…

Noch während des Drehs habe ich das Konzept zur zweiten Staffel geschrieben. Die Entwicklung der Bücher wurde finanziert, bereits im Sommer saß ich tagelang mit meinen Autoren und Fachberatern zusammen und mittlerweile gibt es schon vier Folgen. Nach der begeisterten Resonanz und den weltweit sehr gut laufenden Verkäufen hat momentan keiner Zweifel daran, dass es weitergeht. In der zweiten Staffel bewegen wir uns ins modernere Banking – dass die Banken sich komplett verändern müssen, um überleben zu können, wo moderne digitale Lösungen erarbeitet werden und Filialen komplett geschlossen werden. Ich denke, Ende des Jahres könnten wir anfangen zu drehen.

Wenn ich mir Texte anschaue, die zu »Bad Banks« erschienen sind, habe ich den Eindruck, bis in Deutschland die Autoren die ihnen zustehende Anerkennung finden, wird es wohl noch dauern…

Ich bin sehr glücklich, dass die Serie in den Medien so groß besprochen wird. Ich arbeite seit vier Jahren an dieser Geschichte, es war einer der intensivsten und schwierigsten Drehbucharbeiten, die ich je erlebt habe – allein von der ersten Folge musste ich ganze 15 Fassungen schreiben, bis es richtig saß. Seit einem Jahr arbeite ich an der zweiten Staffel trotz des Risikos, dass die Serie gar nicht verlängert wird. Da irritiert es einen schon, wenn die meisten Journalisten plötzlich etwas schreiben wie »Christian Schwochow erzählt in seiner Serie von...« und ich als Head-Autor oft nicht mal genannt werde. Vielleicht fällt mir das persönlich besonders auf, da ich bei »Bad Banks« zum ersten Mal ‚nur’ als Autor tätig bin. Bei meinen Kinofilmen war ich Regisseur und Autor, da konnte ich den Autoren schwer vergessen. Für mich ist die Drehbucharbeit die härteste und wichtigste Phase des Filmemachens und die Suche nach universellen Geschichten die größte Herausforderung. Mein letzter Kinofilm »Die Vierhändige«, der gerade in der Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis ist, hat sich jetzt schon, genau wie »Bad Banks«, in fast alle Schlüssel-Territorien der Welt verkauft, darunter USA, Frankreich, Spanien, Japan und China. Er wird in mehreren Ländern wie USA, Spanien und Japan im Kino starten und wie es aussieht, wird es sogar zwei Remakes geben. Es ist ein kleiner Film, aber Produzent Markus Reinecke und ich haben an die Kraft der Geschichte, also an das Drehbuch geglaubt. Ich hoffe, die Autoren in Deutschland bekommen bald die nötige Wertschätzung, aber auch Verantwortung, die sie dazu motivieren, noch viel intensiver und hartnäckiger zu arbeiten. Wir müssen dringend aufhören, sie zu vergessen oder kleinzuhalten, wir müssen dafür sorgen, dass sie zur Hochform auflaufen. Denn an ihrer Leistung hängt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Branche.

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