Kritik zu Zwei Leben

© Farbfilm

Nazi- und Stasiverbrechen sind im Spiel, wenn eine glücklich verheiratete Frau in Bergen/Norwegen nach der deutschen Wiedervereinigung mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird

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Es ist ungefähr zehn Jahre her, da schlossen sich hundert ehemalige »Lebensborn-Kinder«, sogenannte Deutschenkinder, zusammen, um den norwegischen Staat wegen seiner Ausgrenzungspolitik auf Wiedergutmachung zu verklagen. Damit geriet eines der dunkelsten Kapitel der deutsch-norwegischen Geschichte ans Tageslicht und durch eine »Spiegel«-Recherche auch in die deutschen Zeitungen. Aus dieser Zeit stammt die Idee für diesen Film, der mit der Lebensgeschichte der Katrine Evensen Myrdal (Juliane Köhler) auch noch die zwielichtige Rolle der DDR zu beleuchten versucht. Wer also ist diese Katrine, die gleich zum Auftakt des Films in einer Doppelrolle, als eine Frau mit zwei Gesichtern, eingeführt wird?

Da reist eine Frau, die akzentfrei deutsch spricht, im November 1990 unter falschem Namen von Oslo nach Leipzig, um in einem Archiv Urkunden zu vernichten; kurz darauf ist dieselbe Frau im Kreis ihrer Familie in Norwegen zu sehen, offenbar seit zwanzig Jahren glücklich verheiratet. Aber dann taucht plötzlich ein junger deutscher Anwalt auf, der die Verbrechen des »Lebensborn« vor den Europäischen Gerichtshof bringen will und dafür Betroffene und Zeugen sucht. Für Katrine, die in Wirklichkeit keine brave norwegische Bürgerin ist, sondern eine einstmals eingeschleuste Stasiagentin, wird der eigentliche Befreiungsschlag zur Bedrohung, weil sie ihre ganze Existenz, ihr Familienglück, auf einer falschen Identität aufgebaut hat. Vor allem aber weil sie ihre Hintermänner in Gefahr bringt.

Mehr psychologisches Drama gepaart mit historischer Aufklärung ist hier eigentlich gefragt, um die komplizierten Verhältnisse und Ungereimtheiten glaubwürdig zu beleuchten und zu entwirren. Aber Regisseur Georg Maas hat sich für den Thriller mit dramatischen Wendungen und irreführenden Rückblenden entschieden. Ziemlich im Dunkeln bleiben deshalb bis zuletzt die Querverbindungen zwischen dem damaligen »Reich« und den besetzten Ländern im Norden, die eigentliche Funktion des »Lebensborn«, der zur Aufzucht »rassisch-wertvoller« Kinder diente und auch im Ausland unehelich gezeugte Soldatenkinder ins »Reich« zurückholte. Die DDR machte sich später die Zwangslage dieser Waisenkinder zunutze und missbrauchte sie zu eigenen kriminellen Zwecken.

Störend im Fluss der Erzählung wirken einige inzwischen wirklich nur noch ärgerliche Stasiklischees, so schrecklich die Umstände auch gewesen sein mögen. Im Vergleich mit Christian Petzolds thematisch ähnlich gelagertem Film »Barbara«, der sein Sujet ganz nah an der Hauptfigur entlang entwickelt, wirkt »Zwei Leben« unkonzentriert – zu diesem Eindruck tragen vor allem die Rückblenden bei, die offenbar Suspense in die Geschichte bringen sollen. Die große Kunst, Geschichtsabläufe dramatisch aufzubereiten und metaphorisch abzufedern, will gelernt sein. Im Übrigen birgt das Thema allein so viel Sprengstoff, dass es keiner Kunstgriffe und dramaturgischer Nachhilfe bedürfte. Etwas Ähnliches könnte man auch über Schauspielerinnen wie Juliane Köhler und Liv Ullmann sagen, die in den Hauptrollen eigentlich ideal besetzt sind.

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