Kritik zu Train to Busan

© Splendid Film

2016
Original-Titel: 
Busanhaeng
Filmstart in Deutschland: 
03.12.2016
L: 
118 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Zombies on a train: Der koreanische Regisseur Sang-ho Yeon lässt die Zombie-Apokalypse auf einer Zugfahrt von Seoul nach Busan ausbrechen und gewinnt dem Genre in beengten Verhältnissen interessante Facetten ab

Bewertung: 4
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Ob im Blockbuster-Kino (»World War Z« mit Brad Pitt), als Serie (»The Walking Dead«) oder im Komödien-Subgenre (»Shaun of the Dead«) - Zombie-Fiktionen sind in den verschiedensten Formen erfolgreich. In »Train to Busan« greift der koreanischen Autor und Regisseur Sang-ho Yeon zum Mittel der Reduktion: Fast der gesamte Film spielt in einem Schnellzug, der zu Beginn unbemerkt eine Infizierte an Bord nimmt. Der ungeheuer ansteckende Virus breitet sich in rasanter Geschwindigkeit aus, wobei der fahrende Zug mit seinen Wagons für überraschende Situationen zwischen Zombies und Nichtinfizierten sorgt. So einfach, so gut.

An Bord des Zuges sind auch Fonds-Manager Seok Woo (Yoo Gong) und seine Tochter Soo-An (Soo-an Kim), die an ihrem Geburtstag ihre Mutter in Busan besuchen möchte. Das zehnjährige Mädchen hat die Trennung der Eltern noch nicht verkraftet, das Verhältnis zum beruflich eingespannten Vater ist brüchig, weil er zu wenig Zeit für sie hat. Selbst der Reise zur Mutter hat der Vater nur zögerlich zugestimmt, verpasst er doch deswegen einen halben Arbeitstag. Was für diese Vater-Tochter-Konstellation gilt, trifft auch für den Rest der für den Plot wichtigen Mitreisenden zu. Yeon stattet seine Figuren mit einfachen Grundkonflikten aus, die sie mehr als Archetypen denn als dreidimensionale Charaktere erscheinen lassen. Da ist zum Beispiel der Baseball-Spieler und seine Cheerleader-Freundin, der zunächst geistig verwirrt wirkende Obdachlose, den keiner ernst nimmt, oder das »Prol-Pärchen« von schwangerer junger Frau mit muskelbepacktem, aber erstaunlich liebenswürdigem Mann (Dong-seok Ma, der heimliche Star des Films): Sie alle sind mehr oder weniger Standardfiguren des Genre-Kinos.

Yeon, dem mit »Train to Busan« ein veritabler Blockbusterhit in seiner Heimat gelang, versteht es jedoch, seine »flachen« Figuren so sinnstiftend leben oder sterben zu lassen, das aus einer vermeintlichen Schwäche eine große Stärke wird. Denn in der Tradition der besten übernatürlichen Geschichten entfalten die Figuren nach und nach ihr großes allegorisches Potential: Sie wachsen über sich hinaus und zeigen Mut, Weisheit, Solidarität, Einfallsreichtum und Opferbereitschaft.

Wie oft bei Zombie-Geschichten, funktioniert »Train to Busan« unter anderem als Parabel auf die neoliberal geprägte Welt. Als deren Vertreter wird zu Beginn auch der zu viel arbeitende Vater vorgestellt Seok Woo vorgestellt, der die Rolle des abgehobenen Brokers aber im Angesicht der Zombie-Krise sukzessive ablegen und ein besserer Vater werden darf. Anders liegt der Fall beim herrischen Geschäftsmann Yong-Suk (Eui-sung Kim), dessen Schurkenhaftigkeit sich noch verschärft: In einer der prägnantesten Szenen spaltet er den Mikrokosmos eines Zugabteils und wiegelt gegen eine vermeintlich gefährliche Minderheit auf.

Auf allzu explizites Zombiemorden verzichtet Yeon genauso wie auf hämischen Humor. Die einzige Zusatznote, die er pointiert anstimmt, ist eine melancholische. In den niederschmetterndsten Momenten zieht eine zarte Poesie in seine Bilder ein. Dieses Feingefühl in der Inszenierung hebt »Train to Busan« auf ein Niveau, das nur wenige Zombie-Filme erreichen.

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