Kritik zu Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben

© Arsenal Filmverleih

2017
Original-Titel: 
La Novia del Desierto
Filmstart in Deutschland: 
30.11.2017
L: 
78 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Es geschieht nicht viel in diesem argentinisch-chilenischen Roadmovie, doch das wenige fesselt mit einer Atmosphäre zwischen Lakonie und Mystik und einer wunderbaren Hauptdarstellerin

Bewertung: 4
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Der deutsche Verleihtitel führt leicht in die Irre: Um ein weiteres Feelgood-Movie im Fahrwasser all der Monsieurs und Madames handelt es sich bei »La novia del desierto« – wörtlich übersetzt: »Die Verlobte der Wüste« – nicht. Es ist ein ungewöhnliches Projekt, und das fängt schon mit den Filmemacherinnen Cecilia Atán und Valeria Pivato an, denn ein weibliches Autoren- und Regieduo ist auch in Südamerika nicht gerade an der Tagesordnung. Beide haben langjährige Erfahrung als Regieassistentinnen. Handwerkliches Können und Stilbewusstsein fallen dann auch bei ihrem gemeinsamen Regiedebüt ins Auge, darüber hinaus aber auch ein Sinn für Wüste, Weite und Stille.

Eine verlorene Tasche ist dabei so etwas wie ein MacGuffin: Die 54-jährige Teresa, wunderbar gespielt von Paulina García (»Gloria«) befindet sich auf dem Weg von Buenos Aires ins weit entfernte San Juan. Wie eingestreute Rückblenden zeigen, musste sie die Familie, für die sie 30 Jahre lang als Hausmädchen gearbeitet hat, verlassen, da diese gezwungen war, ihr großes Haus zu verkaufen. Eine neue Arbeitsstelle wartet nun jenseits der Wüste auf sie. Teresa schaut recht verzagt in diese unbekannte Zukunft, der Verlust der Familie, mit der sie zusammenlebte, als sei sie eine enge Verwandte, schmerzt sie zutiefst. Bei einem unfreiwilligen Zwischenstopp in einem Wüstenkaff verliert sie dann ihre Tasche mit allen wichtigen Unterlagen. Doch auf der Suche nach ihr lernt sie »El Gringo« kennen, einen fahrenden Händler mit so ziemlich allem, was man kaufen kann. Der lockt die sorgenvolle Frau mit seinem Charme aus der Reserve, und irgendwann ist nicht mehr ganz sicher, ob sie überhaupt noch weiterreisen wird. Diese recht übersichtliche Handlung erzählen Atán und Pivato in langen, ruhigen Einstellungen mit starkem Kontrast zwischen den Wüstenszenen und den Rückblenden mit ihren engen Stadtinnenräumen.

Während die Menschen in der Stadt nicht viel freier wirken als ihre in Käfigen gehaltenen Singvögel, breitet sich die Wüste in weiten Western-Kadrierungen aus und die Tonspur lässt häufig den Wind erzählen. Eigenwillig ist der Einsatz von Unschärfe. Immer wieder liegt der Schärfebereich ausschließlich bei der Protagonistin, während sogar wichtiges Geschehen im Hintergrund unscharf bleibt. Das sorgt im Zusammenspiel mit der Langsamkeit und der sowieso schon leicht schwebenden, traumartigen Atmosphäre mit spärlichen Dialogen für eine Betonung der Innensicht der Hauptfigur. Denn Teresa befindet sich selbstverständlich nicht nur auf einem Roadtrip, sondern auch auf einer Reise in ihre eigene Seele, und die sich anbahnende Romanze mit El Gringo ist dabei nur ein Aspekt. Dieser fügt sich in ein größeres, existentialistisches Bild von Verlust, Aufbruch und Erfahrung ungeahnter Freiheit ein – bis das von Sorgenfalten geprägte Gesicht von Paulina García irgendwann von innen her zu strahlen beginnt. »La novia del desierto« gelingt es, von dieser Selbstfindung kitsch- und klischeefrei zu erzählen, bisweilen gar so meditativ und leicht wie ein Haiku.

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